Selten hat man Swiss Ski Herren-Chef Tom Stauffer derart angesäuert erlebt, wie am Samstag nach dem ersten Riesenslalom in Bansko. «Ich bin überhaupt nicht zufrieden, wir können sehr viel mehr», murrte der Berner Oberländer, nachdem seine Riesen-Spezialisten erstmals in diesem Winter bei einem Weltcup-Rennen den Sprung aufs Podest verpasst haben.
Stauffers deutliche Ansprache bei der Team-Sitzung hat ihre Wirkung offensichtlich nicht verfehlt. Mit Marco Odermatt (2.), Loïc Meillard (7.), Justin Murisier (8.), Daniele Sette (11.) und Gino Caviezel (12.) klassieren sich am Sonntag fünf Skigenossen in den Top-12.
Eine derartige Geschlossenheit hat eine Schweizer Riesenslalom-Equipe zuletzt am 10. März 2001 beim Weltcup-Final in Are an den Tag gelegt (4. Von Grünigen, 9. zeitgleich Kälin und Défago, 11. Accola und 12. Locher).
Odermatt setzt Pinturault unter Druck
Natürlich wird das kollektive Ergebnis überstrahlt von Marco Odermatts Leistung. Im achten Riesenslalom dieser Saison schafft er zum vierten Mal den Sprung auf das Podest. Der 23-Jährige muss sich zwar Frankreichs Weltmeister Mathieu Faivre geschlagen geben, dafür klassiert er sich auf dem zweiten Rang unmittelbar vor Faivres Teamkollegen Alexis Pinturault.
Und damit setzt der sechsfache Junioren-Weltmeister den 29-jährigen Routinier in zwei Gesamtwertungen gewaltig unter Druck. Im Kampf um die kleine Riesenslalom-Kugel liegt der Buochser vor den beiden letzten Rennen nur noch 25 Punkte hinter Pinturault. Und im Duell um die grosse Kugel für den Sieg im Gesamtweltcup beträgt Alexis Vorsprung auf «Odi» nur noch 210 Punkte.
Abfahrt als Zünglein an der Waage?
Neun Entscheidungen stehen noch aus. Diese Woche stehen in Saalbach zwei Abfahrten und ein Super-G auf dem Programm. Odermatt könnte dort vor allem in den Abfahrten weitere Punkte auf den Franzosen gut machen. Während Pinturault im Weltcup in der Königs-Disziplin noch keinen einzigen Punkt eingefahren hat, überzeugte Odermatt bei den letzten Abfahrten in Cortina, Garmisch und Kitzbühel mit den Rängen 4, 8 und 10.
«Ich glaube daran, dass der Odermatt die kleine wie die grosse Kugel gewinnen kann. Er hat ja nichts zu verlieren, während der grosse Favorit Pinturault jetzt richtig ins grübeln kommen und entsprechend nervös werden wird», glaubt Deutschlands Ski-Legende Frank Wörndl (61, Slalom-Weltmeister 1987), der heute als Kommentar für «Eurosport» tätig ist.