Die Skisaison hat zwar noch nicht begonnen, aber auf Elisabeth Gerritzen (25) könnte am Sonntag schon ein Erfolgserlebnis warten. Nicht auf den steilen Freeride-Pisten, sondern an der Wahlurne, bei der Abstimmung über die Ehe für alle. «Es ist schockierend, dass wir hierüber abstimmen müssen. Als ich sah, dass das Referendum erfolgreich war, wollte ich weinen. Ich finde es unfassbar, dass eine politische Kraft sich gegen etwas stellt, das eigentlich ein Recht sein sollte.»
Die junge Frau ist bei diesem Thema so empfindlich, weil sie direkt davon betroffen ist. Nach ihrem Weltmeistertitel im vergangenen Frühjahr hat sich die bald 26-Jährige auf Instagram geoutet.
In einem Interview mit Blick sagt sie, sie habe sehr unter der «Invisibilisierung» lesbischer Frauen gelitten. «Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich als Homosexuelle Karriere machen könnte. Es klingt archaisch, aber ich erinnere mich, dass ich diesen Gedanken hatte», sagt die erste Schweizerin, die das Verbier Xtreme gewann.
Die Waadtländerin hatte beschlossen, es zu einer privaten Angelegenheit zu machen. Doch einige Bücher, die auf die Unterrepräsentation von LGBTQ im Sport hinwiesen, rüttelten sie auf. Nun fühlt sie sich verantwortlich. «Wenn es einen Moment gibt, in dem meine Stimme ein Echo haben kann, dann ist es, wenn ich Weltmeisterin bin.»
Und Elisabeth Gerritzen hat eine Lawine von positiven Nachrichten erhalten. «Was mich am meisten freut, ist, dass mir 15- oder 16-jährige Mädchen geschrieben haben und mir sagten, dass sie sich besser fühlen, wenn sie eine lesbische Ikone haben. Das hat mich am meisten berührt, denn ich weiss, dass ich es in ihrem Alter auch gebraucht hätte.»
Gerritzen setzt sich hartnäckig ein. Sie fordert etwa geschlechtsunabhängig gleiche Bezahlung in ihrem Sport. So wie sie sich darüber empört, dass der Start der Männer beim Xtreme weiter oben am Berg erfolgt als der der Frauen. Und das, obwohl sie zugibt, dass sie zu Schwindelanfällen (!) neigt und grosse Angst vor dem Bec des Rosses hat.
Aber Prinzipien sind Prinzipien. Als feministische Aktivistin und Verteidigerin von Minderheiten prangert die französischsprachige Frau eine Skiwelt an, die «einer bestimmten Elite vorbehalten ist».
So ist es nicht verwunderlich, dass die Weltmeisterin ausserhalb der Saison an der Universität Genf zu finden ist, wo sie gerade ein Masterstudium der Rechtswissenschaften begonnen hat.
Video-Interview mit Blick:
In dieser Rubrik stellen die Kolleginnen und Kollegen von Blick Romandie jeden Donnerstag eine Persönlichkeit vor, über die man in der Westschweiz spricht.