Deutschlands Alpin-Männer mussten in den letzten Wochen ordentlich mediale Prügel einstecken. Grund: In 18 Rennen hat in diesem Winter kein einziger DSV-Athlet den Sprung aufs Podest geschafft. Deshalb lässt ein deutscher Reporter kurz vor dem Start zum Hahnenkamm-Slalom im Medienzentrum ordentlich Dampf ab: «Unsere Abfahrer machen sich auf der Streif in die Hose und der Linus Strasser ist heuer ebenfalls weit von seiner Bestform entfernt!»
Ein paar Stunden später stopft Strasser seinen Kritikern in eindrücklichster Manier das Maul: Der 31-Jährige fährt am Ganslernhang seinen vierten Weltcupsieg ein. Für den gebürtigen Münchner ist das auch deshalb der grösste Triumph, weil er die meiste Zeit seiner Kindheit in Kitzbühel verbracht hat. «Meine Eltern haben in Kitzbühel ihren Zweitwohnsitz, ich bestritt als Knirps unweit vom Ganslernhang mein erstes Skirennen. Und mit 6. Jahren trat ich dem Kitzbüheler Ski-Club bei.»
Strassers erster Trainer war der heutige Hahnenkamm-Rennleiter Mario Weinhandl. Er ist es dann auch, der Strasser bei der Siegerehrung den Gams-Pokal überreicht.
«Slalom ist wirklich eine Psycho-Sportart»
Bereits die vierte Kitzbühel-Gemse sichert sich Daniel Yule. Nach seinen Siegen 2020 und 2023 belegt der Walliser diesmal wie 2018 den dritten Rang. Damit beschert der 30-Jährige dem Schweizer Slalom-Team den ersten Podestplatz in dieser Saison.
Überraschend kommt Yules Rückkehr aufs «Stockerl» nicht, weil er in Kitzbühel zum ersten Mal in diesem Winter die Bedingungen vorfindet, die ihm am meisten behagen. «Seit ich vor 17. Jahren auf Fischer-Ski gewechselt habe, komme ich mit eisigen Pisten am besten zurecht. Und weil die Kitzbüheler bei tiefen Temperaturen besonders viel Wasser auf die Piste schütten, fühle ich mich hier besonders wohl.»
Yule macht aber kein Geheimnis daraus, dass ihn seine Tätigkeit als Slalom-Spezialist immer öfter an den Rand des Wahnsinns treibt: «Es wird mir mit jedem Jahr deutlicher bewusst, dass Slalom wirklich eine Psycho-Sportart ist! Du kannst fünfzig Schwünge perfekt treffen – geht der 51. Schwung um einen Zentimeter daneben, kann alles vorbei sein. Das ermüdet dich mental brutal. In den Speed-Disziplinen oder im Riesenslalom gibt es mehr Raum, um einen Fehler zu korrigieren.»
Vorteil Abfahrer
Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum Yule manchmal viel lieber ein Abfahrer wäre: «Wenn ein Speed-Fahrer am Morgen das Fenster aufmacht und sieht, dass draussen vierzig Zentimeter Neuschnee liegt, kann er im Hotel bleiben, weil bei diesen Bedingungen keine Abfahrt ausgetragen wird. Aber Slalomfahren kann man praktisch immer, wir müssen selbst beim grössten Pisswetter trainieren.»
Aber nach dem 16. Weltcup-Podestplatz darf Yule wieder zuversichtlich in die Zukunft schauen. Am Mittwoch steht in Schaldming der nächste Slalom-Klassiker auf dem Programm. Und die «Planai» wird nicht weniger eisig als der Ganslernhang in Kitzbühel sein.