Ist das fast schon kitschig? Vor knapp 16 Jahren fuhr Lara Gut-Behrami in St. Moritz GR erstmals aufs Weltcuppodest – sie verkantete kurz vor dem Ziel, rutschte über die Ziellinie und strahlte mit Schnee im Gesicht über beide Ohren. Heute ist die Tessinerin 32 Jahre alt, ihr halbes Leben verbrachte sie im Ski-Tross. Wieder wird sie Dritte, wieder in St. Moritz. Von den damaligen Starterinnen ist keine andere noch aktiv, Alexandra Meissnitzer (50, Ö) aber noch dabei – als Expertin beim ORF. Sie findet: «Lara ist gewaltig gefahren.»
Gut-Behrami sieht das anders. Sie sei sehr zufrieden mit dem Podestplatz, meint sie im Zielraum. Aber ihre Leistung? Sie stuft sie als «nicht wirklich gut» ein. Sie sei nach den Technikwochen viel zu rund unterwegs gewesen.
«Ich habe noch den Riesenslalom-Schwung im Kopf und zu wenig das Geradeausfahren. Die Einfahrt der Schwünge habe ich auch nicht wirklich getroffen. Ich brauche noch Zeit, bis ich alles automatisiert habe. Es gibt ziemlich viele Dinge, die noch fehlen», sagt sie.
«Überrascht, dass es so einfach war»
Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, Gut-Behrami wäre 20. oder 30. geworden. Angesäuert ist sie nicht, bei weitem nicht – mit einem Apfel in der Hand gibt sie geduldig Auskunft. Letztlich drückt in ihr Perfektionismus bei jeder Antwort durch.
«Es war ein ziemlich einfacher Super-G, man konnte von oben bis unten einfach gerade, gerade, gerade fahren», sagt sie. Die diffuse Sicht und der leichte Schneefall seien kein Problem gewesen. «Andere Rennen brauchen viel mehr Mut. Der Schnee war nicht so schnell, die Wellen nicht so ausgeprägt. Ich war überrascht, dass es so einfach war.»
Fünf Rennen, vier Podestplätze, zwei Siege
So einfach? Viele Fahrerinnen haben Mühe – mit der Linie, dem Wetter, der Unterlage. Die Zeitabstände sind riesig. Weil bei Gut-Behrami derzeit aber alles passt, sind ihre Ansprüche an sich selbst auch besonders gross.
Ihre Saisonbilanz bleibt auch nach fünf Rennen phänomenal: zwei Siege, einmal Zweite, einmal Dritte, einmal Fünfte. «Wenn Lara in einem solchen Flow ist, alle Rädchen ineinandergreifen, kann sie Top-Ergebnisse in Serie liefern», sagt der Schweizer Alpin-Direktor Hans Flatscher.
Goggia: «War etwas am Limit»
Ob Gut-Behrami bereits in der Abfahrt am Samstag das oberste Treppchen besteigen kann, ist dagegen fraglich. In dieser Disziplin ist sie schwächer einzuschätzen als im Riesenslalom und Super-G.
Oder andere stärker – wie zum Beispiel Sofia Goggia (31, It), die bereits im Super-G dominant auftritt und fast eine Sekunde auf die zweitplatzierte Cornelia Hütter (31, Ö) herausfährt. «Ich war etwas am Limit im Mittelteil, konnte aber den Speed gut mitnehmen», sagt sie.
Alptraum für Ortlieb
Und die anderen Schweizerinnen? Sechs Weitere schaffen es in die Punkteränge – euphorisiert ist aber keine. Immerhin: Die erst 21-jährige Delia Durrer deutet als 21. mit ihrem besten Super-G-Resultat ein weiteres Mal ihr grosses Potenzial an.
Bereits vorbei ist dagegen die Saison von Nina Ortlieb (27). Die Österreicherin stürzt noch beim Einfahren und wird mit einem Schien- und Wadenbeinbruch im Helikopter abtransportiert. 19 Operationen hat sie schon über sich ergehen lassen müssen. Besonders bitter: In den Abfahrtstrainings war sie äusserst stark unterwegs (Ränge 3 und 1).