Caviezel arbeitet in der Reha am Comeback
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Nach brutalem Sturz:Caviezel arbeitet in der Reha am Comeback

«Pistenzustand war extrem gefährlich»
Schweizer Sturz-Opfer von Bormio klagen an

Die letzte Weltcup-Woche im Jahr 2024 hat die Rennfahrer-Karrieren von Gino Caviezel und Josua Mettler in brutaler Manier auf den Kopf gestellt. Wie geht es den beiden jetzt? Blick besuchte die Skistars in der Reha.
Publiziert: 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 15:06 Uhr
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Gino Caviezel ist im letzten Speed-Rennen vom letzten Jahr auf der Pista Stelvio in Bormio schwer gestürzt.
Foto: imago/Italy Photo Press
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Marcel W. PerrenSki-Reporter

Es sind die dunkelsten Momente in einem ansonsten goldenen Schweizer Alpin-Winter. Auf der Pista Stelvio in Bormio, die von den Einheimischen vielsagend «la Bestia» genannt wird, erleiden in der Altjahreswoche mit Gino Caviezel und Josua Mettler zwei Swiss-Ski-Athleten innerhalb von 48 Stunden schwere Verletzungen.

Der Ostschweizer Mettler fliegt im Abfahrts-Training an derselben Stelle wie Frankreichs Topstar Cyprien Sarrazin (Hirnblutung) in den Fangzaun. Nach diesem Crash werden beim Schweizer Abfahrtsmeister von 2024 neben zwei kaputten Kreuzbändern auch Risse des Innenbandes sowie des Innenmeniskus diagnostiziert. Der Bündner Caviezel wird nach seinem Einfädler im Super-G mit einem Totalschaden im rechten Knie abtransportiert. Beide sind sich einig, dass sie in Italien einer ungenügenden Präparation der Piste zum Opfer gefallen seien.

«Ich habe die Rennen in Bormio bis dahin sehr gerne gehabt, aber bei der letzten Austragung dieses Speed-Klassikers wurde alles übertrieben», so Caviezel. Und geht ins Detail: «Es hat damit angefangen, dass rund 50 Lastwagen Schnee aus einem anderen Skigebiet angekarrt wurden. Somit war der grösste Teil der ‹Stelvio› mit fremdem Schnee bedeckt. Das grösste Problem war, dass die Strecke nicht von oben bis unten gleichmässig gewässert wurde. Somit wechselten sich auf dieser Piste eisige Passagen mit aggressivem Schnee ab, was extrem gefährlich ist.» 

Das ist falsch gelaufen

Dann beschreibt er den Moment, der ihm die schlimmsten Schmerzen seiner Rennfahrerlaufbahn zugefügt hat: «Ich habe mich mit der Startnummer 1 für eine schnelle, aber keine halsbrecherische Linie entschieden. Weil in diesem Super-G die Abfahrtslinie gekreuzt wurde, hat es mir in dieser Spur einen Ski verrissen. Nach meinem Unfall wurde die Piste bei dieser Passage während einer halben Stunde ausgebessert. Das sagt alles über den Zustand der Strecke vor meinem Start aus.»

Caviezel bleibt mit Ski am Tor hängen
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Nächster Sturz in Bormio:Caviezel bleibt mit Ski am Tor hängen

Auch Mettler hält sich mit Kritik am Veranstalter und an der Rennleitung des Internationalen Skiverbands (FIS) nicht zurück. «Wenn ich am Start einer Abfahrt stehe, muss ich die hundertprozentige Sicherheit haben, dass ich gesund ins Ziel komme, wenn ich keinen Fehler begehe. Und in diesem Abfahrts-Training habe ich keinen Fehler begangen. Ich bin am Tag vor dem Rennen nie ans Limit gegangen. Trotzdem bin ich mit 120 km/h ins Netz gedonnert, weil die Piste definitiv in keinem guten Zustand war. Die Schneeverhältnisse haben alle zwanzig Meter gewechselt.»

Caviezel macht dank Spezialtherapie Fortschritte

Unmittelbar nach dem fürchterlichen Abflug in Bormio deutete vieles darauf hin, dass Caviezel die olympischen Rennen, welche im kommenden Februar ausgerechnet auf der Stelvio ausgetragen werden, verpassen wird. «Mein Vertrauensarzt ist anfänglich davon ausgegangen, dass ich ein Jahr pausieren müsste», erzählt der 32-Jährige, der drei Top-3-Klassierungen aus dem Weltcup vorweisen kann.

«Die Bänder sowie die Sehnen meines rechten Wadenmuskels wurden bei diesem Sturz regelrecht zerfetzt, mein Unterschenkel hatte zwei Zentimeter Spielraum. Ich konnte in dieser Phase meinen Fuss nicht mehr nach oben biegen, ich konnte in diesem brutal angeschwollenen Bereich gar nichts mehr ansteuern.»

Dass sich Caviezel in der Zwischenzeit doch wieder Hoffnungen auf einen Olympia-Start machen darf, ist vor allem den Künsten von Manualtherapeut Rolf Fischer aus Stansstad und dem deutschen Professor Peter Angele zu verdanken. «Ich habe ganz bewusst drei Wochen abgewartet, bis ich mich in Regensburg von Doktor Angele habe operieren lassen. Bis dahin hatte ich mich von Rolf Fischer behandeln lassen. Rolf ist kein Handaufleger, die Therapien bei ihm kommen harter Arbeit gleich. Ich bin nach jeder Einheit brutal geschlaucht. Aber seine Methode beschleunigt den Genesungsprozess so sehr, dass ich ohne Krücken zur OP nach Deutschland anreisen konnte.» Der jüngere Bruder des ehemaligen Super-G-Kugelgewinners Mauro Caviezel (36) schliesst nicht aus, dass er «bereits im Herbst wieder auf einem Gletscher im Wallis auf den Ski stehen» wird.

Mettlers Horror-Szenario

Josua Mettler war zwischen seinem folgenschweren Sturz und der Operation zwei Tage lang an den Rollstuhl gefesselt. «Und ich hatte die Befürchtung, dass ich auch nach der OP längere Zeit im Rollstuhl verbringen muss», betont der Europacup-Gesamtsieger der Saison 2022/23. Dieses Horror-Szenario ist zwar nicht eingetroffen. Dennoch schaut der gebürtige Toggenburger, der mittlerweile in Unterterzen am Walensee wohnt, auf besonders mühsame Monate zurück.

«Normalerweise kann ein Athlet vier bis sechs Wochen nach einer Kreuzband-OP wieder auf das Fahrrad-Ergometer steigen. Aber davon war ich weit entfernt, weil mein linkes Knie zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Beugung von knapp 60 Grad zustande gebracht hat. Zudem sind mir auch ganz alltägliche Dinge wie Treppensteigen mit zwei Knieschienen extrem schwergefallen.»

Mettler macht die ersten Schritte nach OP
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Nach Doppel-Kreuzbandriss:Mettler macht die ersten Schritte nach OP

In der Zwischenzeit hat aber auch der 26-Jährige Fortschritte gemacht. «Letztendlich hat es fast zweieinhalb Monate gedauert, bis ich mich wieder aufs Velo setzen konnte. Seit diesem Zeitpunkt verläuft meine Reha viel zügiger. Vor zwei Wochen habe ich die Erlaubnis erhalten, mit dem Aufbautraining zu beginnen. Endlich darf ich auch wieder mit Gewichten arbeiten.»

Mettler macht aber klar, dass er auch in diesem Bereich noch deutlich hinter seinen Ansprüchen hinterherhinkt. «Normalerweise meistere ich eine tiefe Kniebeuge mit 155 Kilo. Aktuell darf ich noch nicht so tief gehen, ich mache 90 Grad Kniebeugen mit 70 Kilo.»

Aber wie bei Caviezel sind auch Mettlers Chancen auf ein Comeback im kommenden Olympia-Winter intakt.

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