Im Leben von Marco Odermatt (24) spielt Reto Schmidiger eine ganz besondere Rolle. Weil ihre Eltern eine tiefe Freundschaft verbindet, sind die beiden in Nidwalden wie Brüder aufgewachsen. Nachdem der sechs Jahre ältere «Schmidi» 2010 Junioren-Weltmeister im Slalom geworden war, hängte er dem damals zwölfjährigen «Odi» seine Goldmedaille um den Hals. «Dieses Erlebnis hat mich damals dazu motiviert, richtig zu trainieren, um eines Tages selber um Medaillen fahren zu können», erinnert sich der letztjährige Gesamtweltcup- und Riesen-Olympiasieger. Während Odermatt im letzten Winter zum Superstar avancierte, erhielt Schmidiger nach zahlreichen Verletzungen und wenig Weltcuppunkten zum Saisonende von Swiss-Ski die Kündigung!
Langes Telefonat mit Strolz
Den Rücktritt vom Leistungssport hat der Hergiswiler nach dem klärenden Gespräch mit Cheftrainer Tom Stauffer aber nicht noch erklärt. Auch deshalb nicht, weil er durch die Biografie des Österreichers Johannes Strolz zum Weiterkämpfen animiert wird. Zur Erinnerung: Der 29-jährige Sohn von Hubert Strolz (Kombi-Olympiasieger 1988) triumphierte nach dem Rauswurf aus dem ÖSV-Kader beim Slalom in Adelboden und gewann Gold (Kombination) und Silber (Slalom) bei den Olympischen Spielen in Peking.
«Die Strolz-Story hat mich sehr inspiriert, ich habe im Frühling auch lange mit Johannes telefoniert. Noch wichtiger ist für mich aber die Tatsache, dass mein Skiausrüster und der Kopfsponsor die Zusammenarbeit mit mir trotz des Kader-Rauswurfs verlängert haben. Zudem werde ich von meiner Familie, vom Skiklub Hergiswil und vom Kanton Nidwalden unterstützt.»
Trainer war einst Schmidigers Teamkollege
Somit kann sich Schmidiger mit dem Frutigtaler Matthias Brügger (29) jetzt auch einen eigenen Trainer leisten. Der ehemalige Slalomspezialist, der 2016 und 2017 seine einzigen Weltcup-Einsätze absolvierte, lieferte nach dem Ende seiner Rennfahrer-Laufbahn hervorragende Arbeit als Nachwuchstrainer im Berner Oberland ab. Als er anlässlich der Schweizer Meisterschaften in St. Moritz die Anfrage von Schmidiger erhielt, sagte Brügger schnell zu. «Dass Reto nach wie vor sehr schnell Ski fahren kann, hat er im letzten Winter vor allem in den ersten Durchgängen in Wengen und Schladming mit den Rängen 11 und 14 bewiesen», unterstreicht Brügger.
Stellt sich die Frage, warum Schmidiger seine vielversprechenden Halbzeit-Platzierungen im zweiten Lauf nicht nutzen konnte? «Nach meiner Meniskus-Operation musste ich in der Vorbereitung auf den letzten Winter nach jedem zweiten Trainingstag eine Pause einlegen, weil die Geschwulst im Knie immer grösser wurde. Sehr wahrscheinlich hat mir in den Wettkämpfen auch deshalb die nötige Substanz gefehlt.»
August-Rennen in Neuseeland
Der Innerschweizer ist überzeugt, dass in der Vorbereitung auf den kommenden Winter alles sehr viel besser läuft. «Ich habe in den letzten Wochen auf dem Stelvio-Gletscher in Italien rund 5000 Slalomtore gemeistert, ohne dass mein Knie negativ reagiert hat.» Anfang August wird das Duo Schmidiger-Brügger nach Neuseeland fliegen. «Ich werde dort bis 3. September trainieren und auch ein paar Kontinental-Cup-Rennen bestreiten, um mich in der FIS-Punkteliste zu verbessern.» Im Spätherbst wird Schmidiger Trainingsvergleiche mit dem Swiss-Ski-Team bestreiten. Wenn er dort reüssiert, dürften wir Odermatts Kumpel schon bald wieder im Weltcup sehen.