Den Namen Marlies Rohrer-Oester (44) wird man künftig nicht mehr so häufig in den Zeitungen lesen. «Stimmt! Und darüber bin ich nicht unglücklich», sagt sie lachend. Der Grund: Endlich wurde Rohrer-Oester, die am 20. Januar 2002 als letzte Schweizerin einen Slalom gewann, abgelöst. 19 Jahre musste sie darauf warten. «Ich hätte nie gedacht, dass es so lange dauern würde. Umso glücklicher bin ich nun für Michelle, dass sie es geschafft hat. Ich übergebe ihr meine Krone sehr gerne!»
Den historischen Schweizer Slalom-Moment in Semmering (Ö) erlebt Rohrer-Oester, die 2005 zurücktrat, am Dienstagabend gemütlich auf der Couch in ihrem Wohnort Adelboden BE. «Als Michelle im zweiten Lauf führte, war ich mir sicher, dass sie auch gewinnt. Denn Mikaela Shiffrin fährt zwar gut, aber nicht so bestechend wie früher. Das schmälert den Sieg aber keineswegs. Im Gegenteil, ich bin extrem beeindruckt, mit welcher Lockerheit Michelle fuhr.»
«Zu 90 Prozent Kopfsache»
Genau diese Lockerheit hätte sich Rohrer-Oester während ihrer Karriere auch gewünscht. «Ich fuhr im Training oft gut, konnte es im Rennen aber nicht umsetzen. Der Slalom wird zu 90 Prozent im Kopf entschieden. Weil ich aber im Gegensatz zu Michelle nur diese eine Disziplin fuhr, nagten schlechte Leistungen oft am Selbstvertrauen.» Die Mutter zweier Mädchen meint, dass Gisins Sieg nun Nachwirkungen haben könnten. «Nicht nur für sie, sondern auch für die anderen Slalom-Fahrerinnen. Denn nun haben alle gemerkt, dass Shiffrin und Vlhova nicht unschlagbar sind.»
In der Tat hamsterte das Super-Duo vor Gisins Triumph einen Slalom-Sieg nach dem anderen. Total 28 in Serie – 19 von Shiffrin, 9 von Vlhova. Diese Serie ist nun gebrochen. «Und der Schweizer Bann auch», so Rohrer-Oester glücklich. «Nun bin ich mir ganz sicher, dass die Schweizer Ski-Fans nicht noch einmal 19 Jahren auf den nächsten Sieg warten müssen!»