Kurz vor der Saison habe ich Michelle Gisin gefragt: «Nervt es Sie, dass Sie noch nie ein grosses Rennen gewonnen haben?» Gisin musste schmunzeln und erwiderte: «Ich hab ja eins gewonnen. Vielleicht sogar das wichtigste.»
Was sie meinte, war klar. Gisin wurde 2018 Kombi-Olympiasiegerin. Dass meine Frage auf den Weltcup zielte, wusste sie natürlich auch. Und doch machte mir ihre Antwort deutlich, wie locker sie drauf ist. Genau diese Lockerheit war letztlich entscheidend, dass ihr dieser historische Schweizer Slalom-Sieg glückte.
Es gibt wohl keine Fahrerin im Weltcup-Zirkus, die Gisin diesen Triumph nicht gönnt. Denn die Engelbergerin ist überall beliebt – sogar bei den Österreicherinnen. Nun kann man einwenden: Logisch, Gisin ist keine Seriensiegerin. Stimmt. Sie ist auch kein Jahrhunderttalent. Vielleicht macht sie das – gepaart mit ihrer hohen Sozialkompetenz – genau deshalb so nahbar und menschlich.
Gisins Vorbilder waren stets ihre älteren Geschwister Dominique und Marc. Beide verletzten sich oft und schwer. Michelle litt stark darunter.
Doch letztlich war Michelles Liebe zum Skifahren stets grösser als ihre Angst. Nun wird sie endlich auch im Weltcup dafür belohnt.
Chapeau, Michelle!