«Hatte nicht die Erwartung, Weltmeisterin zu werden»
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Rast nach überragendem Slalom:«Hatte nicht die Erwartung, Weltmeisterin zu werden»

Krankheit, mentales Loch, Verletzungen
Rast musste vom Nuggi-Foto zu WM-Gold viele Hindernisse überwinden

34 Jahre nach Vreni Schneider: Camille Rast gewinnt in Saalbach-Hinterglemm Slalom-Gold. Wie hat sie das geschafft? Sie überwand Hindernisse, behielt die Freude am Sport und reifte schnell.
Publiziert: 15.02.2025 um 19:56 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2025 um 18:41 Uhr
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Erkennen Sie dieses kleine Mädchen? Es ist Camille Rast. Heute, mit 25 Jahren, ist sie Weltmeisterin im Slalom.
Foto: zvg

Auf einen Blick

  • Camille Rast wird Slalom-Weltmeisterin, 34 Jahre nach Vreni Schneider
  • Rast hatte einen neuen Ski und machte sich keinen Kopf
  • Schweizer Slalom-Doppelsieg mit Holdeners Silbermedaille erstmals in 94-jähriger WM-Geschichte
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Ist es ein Märchen? Nein. Es ist wahr – wenn auch kitschig. 34 Jahre nach Vreni Schneider wird mit Camille Rast (25) endlich wieder eine Schweizerin Slalom-Weltmeisterin – erneut in Saalbach-Hinterglemm (Ö). «Damals war ich noch gar nicht geboren», sagt die 25-jährige Walliserin, «also ist das für mich weit weg. Aber es ist natürlich schön, dass ich meinen Namen in die Geschichtsbücher eintragen konnte.»

Tatsächlich siegte Gold-Vreni 1991 auf der Kohlmais-Piste in Saalbach, Rast triumphiert nun auf der Ulli-Maier-Strecke in Hintergrlemm. Ein kleiner Schönheitsfehler, mit dem man aus helvetischer Sicht gut leben kann. Zumal die Glückseligkeit dank Wendy Holdeners Silbermedaille perfekt ist. Einen Schweizer Slalom-Doppelsieg? Gab es in der 94-jährigen WM-Geschichte noch nie – weder bei den Männern, noch bei den Frauen.

Rast feiert WM-Titel – Holdener als erste Gratulantin
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Mit rausgestreckter Zunge:Rast feiert WM-Titel – Holdener als erste Gratulantin

Als Rast an diesem Prachttag im Salzburgerland um 14.14 Uhr die Ziellinie überquert, denkt sie nicht an Statistiken. Natürlich nicht. Sie freut sich, jubelt, lacht. «Aber gecheckt habe ich noch nicht, was passiert ist», sagt sie kurze Zeit später. Sie ist damit nicht allein.

Die Wettquote auf einen Rast-Sieg? 1:12

Rast feierte in diesem Slalom-Winter im Weltcup zuerst ihren ersten Podestplatz (Platz 3 in Gurgl), dann den ersten Sieg (Killington) und liess Mitte Januar in Flachau gleich den nächsten folgen. Sie führt in der Disziplinen-Wertung. Aber als Topfavoritin sieht sie vor dem Zickzack-Showdown bei der WM kaum einer. Beim Wettanbieter in der Fanmeile von Hinterglemm hat Rast eine Quote von 1:12. Deutlich vor ihr liegen die Kroatin Zrinka Ljutic (1:2,55) sowie US-Star Mikaela Shiffrin und Teamkollegin Wendy Holdener (je 1:5).

Offenbar traut man Rast, weil sie erst diese Saison den endgültigen Durchbruch geschafft hat, die grosse Bühne noch nicht zu. Sie straft alle Lügen. Bereits vor dem ersten Lauf sieht man sie am Start lachen – ein gutes Zeichen. «Ich war ruhig, aber auch locker. Mein Ziel war es, diesen Tag zu geniessen», so Rast.

Sie legt mit der Startnummer 4 los, als gäbe es kein Morgen. Behutsam den Rhythmus finden? Fehlanzeige. Zuerst in den Lauf kommen? Nicht nötig. Den Schnee spüren? Auch nicht. Rast nimmt auf den ersten elf Fahrsekunden Topathletinnen wie Holdener (+0,11), Mikaela Shiffrin (+0,30) und Katharina Liensberger (+0,47) bereits Zeit ab. Spätestens jetzt wissen alle: Rast ist heiss, heiss auf den Sieg.

Die Minions auf dem Helm halfen ihr

«Das Wetter war super, die Piste auch und die Atmosphäre genial», sagt Rast später. Es habe keinen Grund gegeben, um nervös zu sein. Auch vor dem zweiten Lauf, den sie als Führende in Angriff nimmt, überdreht Rast nicht. «Ich habe in diesem Winter schon viel mehr erreicht, als ich mir hätte erträumen können. Mein Ziel war, einfach Spass zu haben.» So wie die Minions, die berühmten gelben Zeichentrickfiguren, auf ihrem neuen Helm? «Ja», sagt Rast schmunzelnd. «Vielleicht haben mir die Minions dabei geholfen.»

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Rast hat auch einen neuen Head-Ski an den Füssen, der perfekt zu ihrem aggressiven Fahrstil passt. «Wir haben ihn letzte Woche getestet und Camille fuhr flüssiger mit ihm als vorher. Eigentlich war er erst für den Weltcup vorgesehen, aber nun hat sie ihn gleich für die WM benutzt», erklärt ihr Trainer Denis Wicki. Letztlich fährt Rast den Sieg in bemerkenswert sicherer Art nach Hause.

«Dann legte ich eine Ski-Session auf dem Teppich ein»

Rasts innere Ruhe, gepaart mit der Freude am Skifahren, kommt nicht von ungefähr. «Als kleines Kind mochte ich die Combi-Race-Rennen mit normalen Stangen, Riesenslalom-Stangen, Sprüngen und Skicross-Kurven. Ich fand diese Rennen richtig cool. Irgendwann habe ich Weltcup-Fahrer im TV gesehen und gedacht, es wäre schön, wenn mein Name auch mal eingeblendet würde.» Das ist längst der Fall – sie veranstaltet im April in Zinal VS selbst ein solches Rennen für Jung und Alt, die «Camille Rast Trophy».

Weniger bekannt ist ein Foto, das Ski-Fan Rast mit einem Nuggi im Mund und Ski an den Füssen im Wohnzimmer zeigt. Sie erzählt: «Ich war mit meinen Eltern Ski fahren. Als wir die geliehenen Ski im Sportgeschäft zurückgeben sollten, war ich sehr traurig. Also durfte ich die Ski nach Hause nehmen – und schlief auf dem Rücksitz mit ihnen in den Händen ein. Daheim war ich wieder wach und legte auf dem Teppich noch eine Ski-Session ein.»

«Bin froh, dass ich nicht aufgegeben habe»

Einen linearen Aufstieg erlebte Rast im Ski-Zirkus aber nicht. 2017 wurde sie Juniorenweltmeisterin im Slalom, musste fortan aber oft untendurch. Sie litt am Pfeifferschen Drüsenfieber, fiel in ein tiefes mentales Loch und riss sich kurz darauf auch noch das Kreuzband. «Ich bin froh, dass ich nicht aufgegeben, sondern immer weitergekämpft habe», sagt sie heute.

Das Auf und Ab hat Rast geprägt, sie wirkt mit ihren 25 Jahren extrem reif. Und wie wird sie nun den WM-Titel feiern? «Geniessen ist das bessere Wort. Aber nach der Saison werde ich sicher alles nachholen», kündigt sie an.

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