Auf einen Blick
- Wendy Holdener gewinnt Slalom-Silber und gedenkt ihres verstorbenen Bruders Kevin
- Sie fährt im zweiten Durchgang Laufbestzeit und überholt Shiffrin und Liensberger
- Holdener hat insgesamt neun WM-Medaillen gewonnen, gleich viele wie Gut-Behrami und Zurbriggen
Es ist nur ein Satz, aber er bedeutet viel. «Ski with Kevin», hat Wendy Holdener auf die Rückseite ihres Helms vor dieser WM geschrieben. Was die frischgebackene Slalom-Vize-Weltmeisterin meint, ist klar: Ihr geliebter Bruder, der vor einem Jahr den Kampf gegen den Krebs verlor, ist immer noch bei ihr. Nicht physisch, aber in Gedanken. Noch vor der Siegerehrung übermannen Holdener die Gefühle, sie weint. «Ich habe Kevin irgendwie Danke gesagt, dass er mir geholfen hat. Da bin ich sehr emotional geworden», so die 31-Jährige.
Für Holdener endet die WM so, wie sie begonnen hat: mit dem Gewinn einer Silbermedaille. Zweite wurde sie im Team-Event, zweite in der Team-Kombi und nun Zweite im Slalom. «Dafür hätte ich vor zwei Wochen sicher unterschrieben», sagt sie.
Die Schwzyerin hat keineswegs das Gefühl, Gold verpasst zu haben. Das liegt unter anderem am ersten Lauf, bei dem sie Vierte wird und einen Rückstand von 8 Zehntelsekunden auf Teamkollegin Camille Rast (25) hat. Auf Bronze fehlen ihr 8, auf Silber 22 Hundertstel. «Wir haben gedacht: Bloss nicht Vierte bleiben», erzählt ihre Mutter Daniela nach dem Rennen.
Holdener geht mit genau dieser Einstellung in den zweiten Durchgang. Sie greift an, fährt wie schon in der Team-Kombi Laufbestzeit und überholt Mikaela Shiffrin (USA) und Katharina Liensberger (Ö). Nur für Rast reicht es nicht. «Camille war die Beste und verdient diesen Titel. Ich bin sehr stolz auf mich.»
Insgesamt hat Holdener an Weltmeisterschaften neun Medaillen gewonnen – gleich viele wie Lara Gut-Behrami (33) und Skilegende Pirmin Zurbriggen (62).
Auch dank Shiffrin auf diesem Niveau
Mit dem Ruf der «ewigen Zweiten» kann Holdener gut umgehen – sie weiss, dass viele andere gerne ähnlich viele Erfolge wie sie gefeiert hätten. «Es ist ein hartes Business, ein schwieriger Sport. Man muss ständig alles auf den Punkt bringen. Das schaffe ich mittlerweile auf jeder Piste und bei jeder Streckenführung.» Ihr sei bewusst, dass sie beispielsweise ohne die langjährige Slalom-Dominatorin Shiffrin deutlich mehr Siege auf dem Konto hätte. «Gleichzeitig hat sie mich auf dieses Level gebracht, auf dem ich heute bin», so Holdener.
Nicht nur Holdener ist stolz auf sich, auch ihre Mutter Daniela ist es. Sie will die Tränen nicht zurückhalten, als sie im Gespräch mit Blick auf ihren verstorbenen Sohn zu sprechen kommt. «Kevin ist immer noch da, bei uns – einfach in einem anderen Sinn. Ich habe ihm vor dem Rennen gesagt: Gib Wendy bitte einen Schub!» Genau das habe er gemacht, ist sie überzeugt. «Kevin hat Wendy zugeschaut, er ist überall.»