Die Schweizer Männer haben diesen Winter 16 Rennen bestritten. Nach dem Riesenslalom in Sölden und dem Slalom in Gurgl bleiben sie in Adelboden zum dritten Mal ohne Podestplatz. Aber dennoch gibt es nach dem Slalom-Heimspiel in Adelboden einen Skigenossen, der sich wie ein Sieger freut. Die Rede ist vom Zehntplatzierten Marc Rochat.
«Obwohl ich schon wesentlich besser klassiert war, ist das eines der wertvollsten Ergebnisse in meiner Karriere. Denn vor der Anreise nach Adelboden war ich wirklich ganz tief unten!» Nach vier Top-6-Klassierungen im Vorjahr startete der Lausanner mit besonders grossen Hoffnungen in diesen WM-Winter. Doch dann musste der Slalom-Spezialist vier Ausfälle in Serie verkraften.
In Madonna di Campiglio verpasste der Sohn von FIS-Vorstandsmitglied Jean-Philippe Rochat am Mittwoch mit der sechstschlechtesten Zeit die Qualifikation für den zweiten Durchgang deutlich. Anschliessend hatte der 32-Jährige eine Meinungsverschiedenheit mit dem dreifachen Weltcupsieger Manfred Mölgg (42, It), der mittlerweile als Rennchef bei Rochats Ausrüster Nordica tätig ist.
Der Slalom-Vizeweltmeister von 2007 konnte nicht nachvollziehen, dass sein Schützling beim Klassiker in Italien nicht kompromisslos auf Angriff, sondern auf Durchkommen fuhr. «Meines Erachtens ist es besser, wenn man mit einer guten Abschnittszeit ausfällt, als mit über drei Sekunden Rückstand das Ziel zu erreichen», so Mölgg. Rochats Gegenargument: «Nach vier Ausfällen musste ich das komplett verfahrene Schiff irgendwie wenden. Ich musste endlich wieder einmal einen Lauf ins Ziel bringen. Und deshalb war Madonna ein ganz wichtiger Zwischenschritt für mich.»
Ungute Aussichten
Die zweitbeste Laufzeit im zweiten Durchgang sowie die Schlussrangliste beim Chuenisbärgli-Slalom gibt Rochat recht. Nach dem ersten Saison-Out von Loïc Meillard ist an diesem Tag nur ein Schweizer schneller als «La Roche» – der Genfer Tanguy Nef realisiert als Achter seine zweite Top-Ten-Platzierung in dieser Saison.
Obwohl sich mit Daniel Yule als Zwölfter ein dritter Schweizer in den besten 15 klassiert und Meillard trotz seines Einfädlers den dritten Zwischenrang in der Disziplinen-Wertung belegt, blickt Swiss-Ski-CEO Walter Reusser mit sorgenvoller Miene in die Schweizer Slalom-Zukunft. «Es ist leider so, dass bei uns in dieser Sparte hinter den Teamleadern, die nicht mehr die Jüngsten sind, eine zu grosse Lücke klafft», sagt der gebürtige Emmentaler.
Die aktuelle Slalom-Wertung im Europacup untermauert Reussers These: Mit Noel von Grünigen fungiert hier lediglich ein Schweizer in den Top 6. Und der Sohn von Riesen-Altmeister Mike von Grünigen (55) hat wie Meillard (28), Yule (31), Rochat (32) und dem derzeit äusserst formschwachen Ramon Zenhäusern (32, out im ersten Durchgang) den 28. Geburtstag bereits hinter sich.
Der grosse Unterschied zu Norwegen
Mit Lenz Hächler (21) besitzt Swiss-Ski zwar den aktuellen Slalom-Juniorenweltmeister. Doch es spricht einiges dafür, dass sich der Zuger in Zukunft mehr auf den Riesenslalom und die Speed-Disziplinen fokussieren wird.
«Es ist ganz einfach so, dass der Slalom bei unserem Nachwuchs nicht den gleich hohen Stellenwert hat wie in Norwegen», sagt Meillards Coach Julien Vuignier. Seine Erklärung: «In Norwegen gibt es praktisch in jedem Skiort eine permanente Slalom-Piste. Dafür haben sie in Skandinavien keine Gletscher-Abfahrtspisten, wie wir sie im Wallis haben. Deshalb wird die Schweiz in den Speed-Disziplinen und im Riesen wohl immer die breitere Spitze haben als im Slalom.»
Walter Reusser will dieser Entwicklung entgegentreten. Der Swiss-Ski-CEO will in Zukunft vermehrt auf der permanenten Trainingsstrecke im schwedischen Kåbdalis Slalom-Camps für unsere U-18-Fahrer durchführen.