Die Geschichte von Marco «Blacky» Schwarz zeigt wieder einmal auf, wie nahe im alpinen Skisport Triumphe und schmerzliche Abstürze liegen.
Kurz vor Weihnachten hat der Österreicher mit seinem Slalom-Triumph in Madonna di Campiglio Marco Odermatt die Führung im Gesamtweltcup entrissen, sechs Tage später ist der 28-Jährige nach dem Abfahrts-Crash in Bormio mit gerissenem Kreuzband und einem beschädigten Meniskus am rechten Knie in einem Innsbrucker-Krankenhaus gelandet.
Seitdem wird im Ski-Zirkus vor allem eine Frage diskutiert: Hat der Allrounder, der bis zum verheerenden Zwischenfall auf der Stelvio sämtliche Abfahrten, Super-G Riesen- und Slaloms in diesem Weltcup-Winter bestritten hat, seinem Körper zu viel zugemutet? Ist das Kreuzband aufgrund der körperlichen Überbelastung schon vor dem Sturz gerissen?
Klartext von Stephan Eberharter
Am Donnerstag haben mehrere Beobachter berichtet, dass der Kärntner in Bormio zwischen der Streckenbesichtigung und dem Rennstart auch noch wie ein Gepickter Riesenslalom trainiert hat. «Wenn das wirklich stimmt, war das meiner Meinung nach ziemlich fahrlässig, weil die Abfahrt auf der Stelvio wesentlich mehr Substanz erfordert als ein Rennen in Lake Louise», poltert Schwarz Landsmann Stephan Eberharter, der zwischen 2001 und 2003 den Gesamtweltcup gewonnen hat.
Der Zillertaler legt nach: «Ich hatte in meiner Karriere in der Phase die erfolgreichste Zeit, wo ich besonders grossen Wert auf die Regeneration gelegt habe. Aber bei dem Mammut-Pensum, welches Blacky absolviert hat, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Regeneration zu kurz kommt. Und bei mangelnder Regeneration sind Verletzungen die logische Folge. Deshalb habe ich vor Beginn dieser Saison gewünscht, dass er den Slalom aus seinem Programm streicht.»
Weil das nicht passiert ist, ärgert sich der 54-Jährige auch über die Teamführung des ÖSV: «Dass ein Rennfahrer, der in derart guter Form ist, möglichst viele Wettkämpfe bestreiten will, kann ich irgendwie nachvollziehen. Aber genau deshalb müssten die Trainer einem Athleten aufzeigen, was geht und was nicht möglich ist.»
Luxemburg-Österreicher Marc Girardelli (60), der zwischen 1980 und 1997 in allen vier Disziplinen Weltcupsiege einfahren konnte, sieht es ähnlich wie Eberharter: «Die Trainer sind in meinen Augen mitschuldig an der Verletzung von Marco, weil sie in den letzten Monaten zu wenig Wert auf die Erholung seines Körpers gelegt haben.»
«Odermatt kann schon Ende Januar in den Urlaub»
Ein Mann der deutlichen Worte ist auch Deutschlands Ski-Papst Felix Neureuther (39). Der Bayer, welcher je zweimal den Lauberhorn- und Kitzbühel-Slalom für sich entschieden hat, wollte Schwarz vor zwei Wochen warnen: «Im Nachhinein sind bekanntlich alle schlauer, aber ich habe nach der Abfahrt in Gröden zu Journalisten gesagt, dass Schwarz auf die Rennen in Bormio verzichten sollte, um Kraft für die Klassiker im Januar zu tanken.»
Dass dieser grossartige Rennfahrer nun so lange ausfällt, zerreisse ihm schier das Herz. «Für das internationale Ansehen von unserem Sport wäre es so wichtig gewesen, wenn es den grandiosen Gesamtweltcup-Zweikampf zwischen Schwarz und Odermatt bis zum Saisonende gegeben hätte.»
Das schmerzt auch den fünffachen Gesamtweltcupsieger Girardelli: «Dieses Duell hätte in diesem Winter die ganze Ski-Welt elektrisiert, doch jetzt ist die Spannung um die grosse Kugel komplett weg. Der grossartige Marco Odermatt ist in dieser Wertung nach dem Out von Schwarz derart konkurrenzlos, dass er seinen dritten Gesamtweltcupsieg selbst dann holen wird, wenn er bereits Ende Januar in den Urlaub auf die Malediven fährt...»