Wer schon einmal Roulette gespielt hat, kennt es nur allzu gut: Glück und Pech wechseln sich innert weniger Sekunden ab. Genau so ist es auch bei der Frauen-Abfahrt in Crans-Montana – mal schiebt sich eine Nebelbank vor die Sonne, dann schneit es plötzlich, auf einmal ist die Bodensicht perfekt. Die Inkonstanz ist die einzige Konstante am Mont Lachaux. «Das ist typisch Crans-Montana. Nach dem Training meinten alle, man brauche eine vordere Nummer. Ich habe gesagt, wartet es ab – man weiss hier nie. Das ist einfach unser Sport, das gehört dazu», sagt Michelle Gisin. Die Engelbergerin wird Achte, besser war sie in diesem turbulenten Winter in der Abfahrt noch nie.
Damit ist Gisin drittbeste eines Schweizer Teams, das sieben Fahrerinnen in den Top 20 hat, aber niemandem auf dem Podest. Vorjahressiegerin Priska Nufer zeigt mit der Startnummer 3 eine starke Fahrt und wird Sechste. «Es macht einfach Spass, hier zu fahren. Leider hatte der Wettergott bei meiner Fahrt Lust auf Neuschnee. Aber ich bin trotzdem glücklich», sagt sie.
Corona setzte Hählen besonders zu
Einen Rang besser klassiert ist Joana Hählen. Die Bernerin (Startnummer 17) ist hinter der überragenden Sofia Goggia (It) lange auf Podestkurs, ehe sie von den Startnummern 21 (Federica Brignone) und 26 (Laura Gauché) vom Treppchen auf Platz 5 verdrängt wird. «Ich habe gemischte Gefühle, aber ich bin gut gefahren und kann mir nicht viel vorwerfen.» Hählen hadert nicht mit dem Schicksal. «Vielleicht wurde der Schnee in der Fläche etwas schneller, aber man weiss hier nie – es ist immer anders.»
Hählen ist spürbar erleichtert. «Dieses Resultat tut sehr, sehr gut», sagt sie. Nach Rang 17 bei der WM-Abfahrt – damals war sie mit einer hohen Startnummer chancenlos geblieben – atmet sie auf. Und sie geniesst die Nähe zum euphorischen Walliser Publikum. «Die Corona-Winter waren für mich sehr belastend. Erstens, weil ich meine Freunde nicht mehr sehen durfte. Und zweitens, weil ich bei Tests immer Angst vor einem positiven Resultat hatte. Ich bin als Zwilling ausgewachsen, ich mag die Nähe zu den Menschen. Darum ist es hier in Crans-Montana besonders schön.»