Lara Gut-Behrami (32) schüttelt den Kopf. «Wenn eine Fahrerin bei den Olympischen Spielen startet und sagt, sie wäre für eine Goldmedaille bereit, beide Beine zu brechen, kann ich das nicht verstehen. Ich verzichte lieber auf einen Olympiatitel und bin dafür am nächsten Morgen gesund.»
Ob die Tessinerin jemals eine Fahrerin gehört hat, die so etwas gesagt hat? Das verrät sie nicht. Und dennoch drücken ihre Worte aus, was für sie auf der Karriere-Zielgeraden das Wichtigste ist: Gewinnen, ja – aber nicht um jeden Preis.
In Crans-Montana VS winkt Gut-Behrami eine riesige Chance. Sie weiss, dass der rote Teppich für ihren zweiten Gesamtweltcupsieg ausgerollt ist. Dies, weil Mikaela Shiffrin (28, USA) verletzt fehlt. Aktuell hat die Tessinerin fünf Punkte Vorsprung – sie hat die Klasse und die Form, um daraus eine dreistellige Zahl zu machen. «Egal, ob es steil ist, ob es dreht oder nicht dreht – ich fühle mich seit einigen Jahren zu 99 Prozent der Zeit wohl auf den Ski», sagt sie. Aber eben: Sie will nicht überpowern.
Es gibt auch Tage, die sie überstehen muss
Zweimal verletzte sich Gut-Behrami in ihrer Karriere schwer: 2009 an der Hüfte und 2017 am Knie. Davor, dazwischen und selbst danach sei ihre Devise gewesen: Vollgas. Durch die Heirat mit Ex-Nati-Captain Valon Behrami (38) im Sommer 2018 habe sie verstanden, dass sie sich selbst gefährdet. «Valon hat mir sehr geholfen. Mittlerweile weiss ich: Es gibt Tage, die man überstehen muss, weil die Verhältnisse nicht gut sind. Dann ist das Wichtigste, gesund ins Ziel zu kommen.»
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Dass ihre Sätze nicht nur Worthülsen sind, zeigt eine Statistik: Seit Dezember 2021 ist sie nie mehr gestürzt, was 63 unfallfreien Rennen entspricht. In Zeiten, wo sich viele Top-Fahrerinnen verletzen, ist das nur etwas: beeindruckend. Gut-Behrami betont, dass sie sich neben der Piste nicht ablenken lassen darf – es gilt, so viel Energie wie möglich zu sparen. Gerade in Crans-Montana sei dies nicht leicht.
«Als gäbe es 200 statt 100 Punkte»
«So schön Heimrennen auch sind – das Skifahren wird manchmal fast zur Nebensache. Es sind so viele Fans vor Ort, es gibt Pressekonferenzen und vom Verband sind Tausend Leute da.» Alles sei viel intensiver. «Und plötzlich hat man das Gefühl, pro Rennen gebe es 200 statt 100 Punkte», so Gut-Behrami.
Sie selbst ist überzeugt, das perfekte Rezept für einen guten Energie-Haushalt gefunden zu haben. «Ich habe das Gefühl, dass ich alles in meinen Händen habe. Das ist ein Riesenunterschied zu früher.»