Seit 16 Jahren ist Lara Gut-Behrami im Ski-Zirkus. Die 32-Jährige hat ihr halbes Leben im Weltcup-Tross verbracht – zumindest im Winter. Dennoch gibt es etwas, das sie noch nie erlebt hat: Eine Abfahrt am Matterhorn. «Ich entdecke wieder einmal etwas Neues», sagt sie am Donnerstagabend im Hotel Excelsior im Zentrum Cervinias. Und wie gefällt ihr die «Gran Becca»? Gut-Behrami schmunzelt, sie zögert. «Vielleicht stellt ihr besser eine andere Frage», meint sie – und hat die Lacher auf ihrer Seite.
Was Gut-Behrami meint, ist spätestens nach dem ersten Training klar: Es ist keine Piste, die ihren Qualitäten entspricht. «Oben kam der Gletscher raus, unten war es putzweich. Viel gesehen habe ich auch nicht, es war einfach weiss», sagt sie. Und ergänzt: «Aber vielleicht haben wir am Samstag einen wunderschönen Tag, die Piste ist griffig, wir fahren 20 km/h schneller, die Sprünge gehen weiter und wir können die Ski gut durchdrücken – dann ist es eine andere Geschichte.»
Bitte kein Durchpauken!
Was sich wie eine Kritik an der neuen Abfahrt am Matterhorn anhören könnte, ist keine. Für ein Training sei das absolut in Ordnung gewesen. «Es hat in den letzten Wochen geschneit, geregnet und gewindet. Es ist normal, dass die Piste nicht super ist.» Der Veranstalter mache alles Menschenmögliche, um gute Bedingungen zu ermöglichen. «Es wurde viel diskutiert über diese Rennen. Dabei weiss jeder: Im November ist das Wetter wechselhaft – je höher man geht, desto mehr. Es ändert sich alles mega schnell.»
Gut-Behrami gibt zu: «Es ist nicht die Art von Piste, wo ich am besten bin.» Die Gleit-Spezialistinnen sind im Vorteil. Das mache ihr aber nicht zu schaffen, vielmehr ist es etwas anderes: «Ich hoffe einfach, dass die Rennen nicht um jeden Preis durchgepaukt werden. Wenn man das Gefühlt hat, dass man unbedingt fahren muss, fühlt man sich verarscht.»
Wie es kommen wird? Die Wetteraussichten fürs Wochenende sind nicht schlecht, der Wind könnte aber eine entscheidende Rolle spielen. Fakt ist: Nachdem alle vier Matterhorn-Rennen im letzten Jahr ins Wasser fielen und vor einer Woche die Männer erneut ohne Einsatz nach Hause fahren mussten, sehnen sich alle nach der Renn-Premiere. «Bis jetzt hat der Veranstalter immer richtig entschieden», sagt Gut-Behrami. Sie hofft, dass dies so bleibt.
«Bin emotionaler als früher»
Fakt ist: Die Super-Technikerin wird es schwer haben – so oder so. Gleichzeitig ist sie nach dem Riesenslalom-Sieg in Sölden im Hoch. «Das ist doch schon lange vorbei», winkt sie mit einem Lächeln ab. Dann gibt sie zu: «Dieser Erfolg gibt Vertrauen, ich habe mich sehr gefreut.»
Das sei nicht immer so gewesen in der Vergangenheit. «Es gab oft Momente, wo das Gewinnen eher ein Müssen war. Er steigerte den Druck. Darum war ich oft nicht zufrieden oder stolz, obwohl ich gewonnen hatte. Das hat sich geändert. Ich schätze das viel mehr und bin gegenüber jenen Menschen, die mir viel bedeuten, emotionaler.»