Blick: Camille Rast, geben Sie überall im Leben Vollgas?
Camille Rast: Je älter ich werde, desto weniger (lacht).
Sie haben uns ein Bild geschickt – von Ihnen auf einem Töff. Damals waren sie knapp sechs Jahre alt.
Ich stand schon mit meinem Vater auf dem Podest. Damals war ich noch ganz klein, und er war Motocrossfahrer. Vielleicht habe ich von dort meine Lust auf Adrenalin und meine Leidenschaft für den Rennsport entdeckt. Sicher ist, dass meine Lust auf Wettkämpfe früh geweckt wurde.
Warum haben Sie keine Töff-Karriere eingeschlagen?
In der Schweiz ist es nicht einfach, im Motocross etwas zu verfolgen – es ist aufwendig, und viel ist nicht erlaubt. Also habe ich andere Sportarten versucht: Leichtathletik, Reiten und Mountainbike. Und natürlich das Skifahren.
Auch die MotoGP gefällt Ihnen, oder?
Ich drücke immer dem Italiener Francesco Bagnaia die Daumen. Warum, weiss ich nicht so genau. Am letzten Wochenende beim Saisonauftakt in Thailand war es aber auch unglaublich, was Marc Marquez gezeigt hat. Ich schaue generell gerne andere Sportarten, denn ich finde, dass ich überall was lernen kann.
Vor drei Wochen wurden Sie Slalom-Weltmeisterin. Verraten Sie uns, wo Ihre Goldmedaille ist?
Zu Hause, in einer Schublade. Im Frühling entscheide ich dann, wo ich sie endgültig aufbewahren will.
Wie oft haben Sie Ihre WM-Läufe auf Video angeschaut?
Ein paar Mal. Ich war ja nach meinem Sturz in Sestriere verletzt und hatte Zeit. Ich habe mir gedacht: «Du bist schön Ski gefahren.»
Nur schön?
Und auch schnell – es ist schon geil. Ich bin stolz auf dieses Rennen. Emotionen kamen aber nicht hoch – dafür bin ich noch zu fest im Winter drinnen.
Wie viele Whatsapp-Meldungen haben Sie erhalten?
Ich muss zugeben, dass ich noch 1050 ungelesene Nachrichten habe (schmunzelt). Es war halt viel los nach der WM.
Sie führten in Saalbach nach dem ersten Lauf – eine Situation, die Sie auch im Weltcup nie zuvor erlebt hatten. Trotzdem brachten Sie Gold ins Trockene. Sind sie immun gegen Druck?
Da steckt viel mentale Arbeit dahinter. Man sieht ja in verschiedenen Sportarten, dass der psychische Aspekt immer wichtiger wird. Ich habe meinen Weg gefunden, damit klarzukommen. Aber es ist mir bewusst, dass es auch ganz anders laufen kann. Nur einen Tag nach mir hat es Clément Noël in der gleichen Situation erwischt. Es geht halt so schnell im Slalom …
Zurück zum Slalom-Weltcup. Da liegen Sie 39 Punkte hinter Zrinka Ljutic, konnten wegen der Verletzung an der Hüfte kaum trainieren und mussten Schmerzmittel nehmen. Ein grosses Handicap?
Ich versuche es einfach. Aber meine Saison ist so oder so schon super – egal, was noch passiert. Ich stand erstmals auf einem Weltcuppodest, gewann zweimal und wurde Weltmeisterin. Das ist viel mehr, als ich mir jemals erträumt habe.
Sie rechnen nicht?
Nein. Ich habe am Samstag zwischen den Riesenslalom-Läufen mit Federica Brignone gesprochen. Sie kämpft ja um viele Kugeln und hat mir gesagt, dass sie nicht auf die Punkte schaue, sondern einfach versuche, schnell zu fahren und Spass zu haben. Dieses Rezept geht bei ihr offensichtlich auf, und ich will es auch befolgen.
Trotzdem: Was wäre, wenn Sie die Slalom-Kugel holen?
Dann wäre das die Kirsche auf der Torte!