Gemessen an internationalen Ski-Medaillen ist das kleine Toggenburg eine absolute Weltmacht. Die Speedqueen Maria Walliser (60, Mosnang), die Überflieger Walter Steiner (72, Wildhaus) und Simon Ammann (42, Unterwasser) sowie Abfahrtslegende Karl Alpiger (62, Wildhaus) haben zusammen 22 Mal Edelmetall bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften gewonnen.
In der Zwischenzeit ist in dieser Region mit Josua Mettler ein weiteres Alpintalent herangewachsen – der 25-Jährige hat sich im letzten Winter mit dem Sieg in der Europacup-Gesamtwertung einen Fixplatz im Weltcup gesichert.
Mettler ist im letzten Sommer noch stärker geworden. «Ich habe das Krafttraining derart intensiviert, dass mir in meinem privaten Kraftraum die Gewichte ausgegangen sind», erzählt der 1,74-Meter-Mann, der in drei Disziplinen (Abfahrt, Super-G und Riesenslalom) startet. Auf der Suche nach zusätzlichen Gewichtsscheiben für die Hantelstange muss er aber nicht weit fahren, schliesslich residiert Schwingerkönig Nöldi Forrer (45) in Stein, nur sieben Kilometer von Mettlers Elternhaus entfernt.
Sturer «Grind» bringt den Erfolg
Bei einer Tasse Kaffee philosophieren der junge Skirennfahrer und der 45-jährige Rekord-Kranzer (151) über das Toggenburger Erfolgsrezept. «Es ist tatsächlich so, dass wir einen besonders sturen Grind haben. Im Leistungssport kommt uns diese Eigenheit sicher zugute», glaubt Mettler.
Forrer nickt und spricht einen weiteren Erfolgsgrund an: «Weil wir hier ziemlich abgelegen sind, haben wir auch ziemlich beschwerliche Schulwege. Dadurch erhalten wir schon früh die Zähheit, die es für eine erfolgreiche Sportlerlaufbahn braucht.»
Den Unfall-Schreck gut weggesteckt
Dass Mettler, dessen Eltern in Unterwasser den Kindergarten leiten, ein besonders zäher Knochen ist, hat sich bei einem fürchterlichen Crash vor drei Jahren in Zermatt gezeigt. Nach einem klassischen Einfädler im Super-G-Training schlug er Kopf voran in ein B-Netz ein. Wie tief der Ostschweizer in dieser Situation dem Tod in die Augen geschaut hat, wurde ihm durch die ärztliche Diagnose bewusst: «Ich habe neben einem Schädelbruch eine Herzprellung erlitten. Die Ärzte haben mir klargemacht, dass eine zu starke Herzprellung den sofortigen Tod bedeute.»
Mettler hat diesen Schock erstaunlich gut weggesteckt. Der Schädelbruch, der mit kleinen Metalplatten fixiert wurde, ist schnell wieder zusammengewachsen und im mentalen Bereich hat der hässliche Abflug kaum Spuren hinterlassen. «Weil ich immer vorwärts schaue, hatte ich nach diesem Unfall eigentlich nie Probleme, auf einer Abfahrtspiste ans Limit zu gehen.»
Aussergewöhnliche «Streifzüge»
Im Hinblick auf die Weltcup-Premiere der Matterhorn-Abfahrt am kommenden Wochenende malt sich Mettler Chancen aus: «Normalerweise startet ein junger Rennfahrer wie ich mit dem Nachteil in eine Weltcupabfahrt, weil die routinierten Rennfahrer die Piste viel besser kennen. Doch diesen Vorteil haben die alten Hasen auf der brandneuen Gran Becca in Zermatt-Cervinia nicht. Genau das will ich ausnutzen.»
Dass der Europacup-Gesamtsieger auch im Weltcup eine sehr gute Rolle spielen kann, hat Mettler bereits im vergangenen Januar bewiesen, als er sich bei seinem Debüt auf der gefürchteten Streif in Kitzbühel in den Top-20 klassierte. Nach diesem Ergebnis verneigt sich auch König Nöldi tief vor Josua. «Ich durfte im Januar 2015 die Streif besichtigen. Seitdem ziehe ich vor jedem den Hut, der diese brutal steile, komplett vereiste Strecke im Renntempo runterfährt.»
Kurioser Unfall auf der Streif
Ein sehr sportlicher Kumpel, so erzählt Forrer, ist in Kitzbühel bereits im Besichtigungstempo gescheitert. «Mein Kollege ist ungefähr fünf Meter nach dem Starthaus weggerutscht und in Richtung Mausefalle geschlittert. Dummerweise hat er dabei auch den Amerikaner Steven Nyman, der mit dem Rücken zum Starthaus stand, umgemäht. Auf wundersame Weise hat sich dabei niemand verletzt.»
Nun hofft Nöldi Forrer, dass sein Nachbar Josua Mettler in der Matterhorn-Region für ein weiteres Toggenburger Ski-Wunder sorgt.