Die Begegnung mit William Besse im letzten Sommer fuhr sogar dem sonst so abgebrühten Kitzbühel-Helden Daniel Mahrer (Hahnenkamm-Sieger 1989) böse ein. «Als Rennfahrer war Willy ein furchtloser Draufgänger. Doch dann stand er plötzlich wie das personifizierte Elend vor mir. Ich habe ihn an diesem Tag kaum wiedererkannt, weil dieser einst so kräftige Abfahrer total abgemagert war. Willy brachte noch knapp 70 Kilo auf die Waage und war bereits am helllichten Tag komplett ermüdet. Einfach schrecklich!»
Der Walliser Besse hat seinem langjährigen Teamkollegen aus dem Bündnerland bei dieser Gelegenheit erläutert, dass er bald eine neue Leber benötigen werde. Mahrer sagt, ihn habe dieses Geständnis auch deshalb geschockt, «weil viele Leberschäden ja auf übermässigen Alkoholkonsum zurückzuführen sind». Im Fall von Besse aber sei ihm sofort klar gewesen, dass das nicht der Grund sein konnte. «Während ich als Sohn eines Brauers gerne ein Bier getrunken habe, hat Besse höchstens bei einer ganz besonderen Feier mit uns angestossen.»
Seriöser Lebenswandel
Tatsächlich hat Besse, der 1994 mit dem Triumph am Lauberhorn den grössten Erfolg in seiner Karriere gefeiert hat, seinen seriösen Lebenswandel auch nach seinem Rücktritt 1999 weitergeführt. 2008 hat der Mann aus dem Val des Bagnes von seinem Hausarzt dennoch eine Hiobsbotschaft erhalten. «Ich habe mich damals eigentlich sehr gut gefühlt. Weil ich kurz davor den 40. Geburtstag gefeiert habe, war für mich der Zeitpunkt für einen intensiven Medizin-Check gekommen. Und dabei wurde eben eine autoimmune Lebererkrankung entdeckt», erzählt Besse.
In den ersten Jahren nach der Diagnose konnte der vierfache Weltcupsieger seinen Alltag ohne grössere Probleme meistern und war unter anderem als Ski-Experte fürs welsche Fernsehen im Einsatz. Doch ab 2020 verschlechterte sich der Zustand des mittlerweile 54-Jährigen dramatisch. «Das grösste Problem war für mich wirklich die Müdigkeit. Wenn ich am Morgen aufgestanden bin, hat es nicht lange gedauert, bis meine Batterie komplett leer war.»
In der Adventszeit gabs eine neue Leber
Deshalb hat es für den zweifachen Familienvater nur noch einen Ausweg gegeben – eine Spenderleber. Und die hat er am 13. Dezember erhalten. Und in der Nacht vor diesem Eingriff hat sich wieder einmal bewahrheitet, dass dieser William Besse ein besonders cooler Zeitgenosse ist. «Ich hatte überhaupt keine Angst vor dieser Transplantation, weil ich den Ärzten, die mir im Vorfeld alles ganz genau erklärt haben, vertraut habe. Deshalb war es für mich fast ein ganz normaler Tag.»
Obwohl der Eingriff von den Medizinern als geglückt bezeichnet wird, ist der Alltag des Junioren-Weltmeisters von 1986 jetzt natürlich noch alles andere als normal. Fürs Foto-Shooting mit «Le Nouvelliste» posierte Besse mit zwei Schachteln, die prall gefüllt sind mit Medikamenten. «Ich muss täglich ordentlich Tabletten schlucken und die nächsten drei Monate sehr behutsam zu Werke gehen. Ich darf derzeit pro Arm höchstens drei Kilo heben. Und ich darf mich im Moment auch nur langsam bewegen.»
Aufgrund der Prognose seiner Ärzte fällt es Besse aber ziemlich leicht, mit der momentanen Situation umzugehen. «Wenn in den nächsten Monaten nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt, werde ich danach wieder alles tun können, was ich vor meiner Erkrankung getan habe.» Kraft und Motivation tankt der Cousin von Alpin-Allrounder Justin Murisier auch durch die Geschichten einiger Leidensgenossen. «Ich habe einige Leute kennengelernt, die seit vielen Jahren mit einem Spenderorgan leben und topfit sind. Ich darf deshalb guter Hoffnung sein, dass auch ich alt werde.»
Alles Gute, William Besse.