Es ist die Frage, welche wenige Tage vor dem ultimativen Höhepunkt der Weltmeisterschaft in Saalbach-Hinterglemm am umstrittensten diskutiert wird: Wie wird Titelverteidiger Marco Odermatt mit der WM-Abfahrt am «Zwölferkogel» zurechtkommen?
Die Prognose des vierfachen Abfahrtsgesamtweltcupsiegers Beat Feuz enthält neben Zuversicht auch eine Portion Skepsis: «Die erste, technisch anspruchsvolle Streckenhälfte wird ihm perfekt liegen. Doch beim darauffolgenden Schleicher-Abschnitt bin ich mir nicht sicher, ob Odi dort genug schnell sein wird.»
Deutschlands Ski-Papst Felix Neureuther hat dagegen keine Zweifel, dass der dreifache Gesamtweltcupsieger genau wie vor zwei Jahren im französischen Courchevel auch in Österreich die Goldmedaille in der Königsdisziplin gewinnen wird: «Im Dezember hat kaum jemand geglaubt, dass Marco als genialer Techniker auf der Gleiter-Abfahrt in Gröden gewinnen kann. Aber dann hat er allen das Gegenteil bewiesen. Das wird auch in Saalbach-Hinterglemm passieren.»
«Das ist bei diesen Tests das Wichtigste»
Sicher ist: Die Auswahl des Rennskis wird am Sonntag genauso wichtig sein wie kurz vor Weihnachten in Gröden. Und deshalb hat Florian Grab, der das Testteam von Odermatts und Alexis Monneys Ausrüster Stöckli leitet, für diese Welttitelkämpfe denselben Edel-Testpiloten verpflichtet wie vor den Rennen auf der Saslong: den Berner Oberländer Nils Mani.
Der 32-Jährige erkämpfte sich 2013 bei der Junioren-WM die Goldmedaille in der Abfahrt. 2016 realisierte der gelernte Landmaschinenmechaniker mit dem neunten Rang in Gröden sein bestes Weltcup-Ergebnis in der Abfahrt. «Dass wir mit Nils auf einen ehemaligen Weltcup-Athleten als Testfahrer zurückgreifen können, ist für uns extrem viel wert. Er hat die Fähigkeit, in einer Stunde konstant durchzufahren. Und Konstanz ist bei den Ski-Tests das wichtigste», betont Grab.
«Ich muss bei dieser Aufgabe nicht mehr möglichst schnell, sondern besonders genau fahren. Nur durch möglichst identische Fahrten können die gewünschten Erkenntnisse gewonnen werden», ergänzt Mani, der seit dem Ende seiner Rennfahrer-Karriere 2022 hauptsächlich als Zimmermann arbeitet.
An diesem Vormittag testet die Stöckli-Crew auf der Hinterglemmer Hochalm innerhalb von einer Stunde 20 Paar Abfahrts-Ski. Jeder Ski wird in dieser Zeit dreimal getestet. «Wenn man die ersten Fahrten im Schatten absolviert und dann die Sonne aufkommt, fährt man innerhalb von zehn Minuten auf derselben Teststrecke zwei bis drei Zehntel langsamer. Deshalb wird aus den drei Läufen pro Ski am Ende des Tages ein Durchschnittswert errechnet», erklärt Grab.
«Das ist suboptimal»
Neben Mani und dem ehemaligen FIS-Fahrer Grab gleitet der Vorarlberger Kilian Böck im Intervall von fünf Minuten über die 500 Meter lange Teststrecke. Der 22-jährige Maschinenbaustudent ist das Firmpatenkind von Odermatts Servicemann Chris Lödler. Böck war vorletzte Woche bei der Hahnenkamm-Abfahrt in Kitzbühel als Vorfahrer im Einsatz. «Auch Kilian bringt genau die Eigenschaften mit, die einen guten Testpiloten auszeichnen», lobt Grab.
Es gibt aber etwas, was der Stöckli-Testchef während seiner Mission im Salzburgerland als «suboptimal» bezeichnet: «Im Gegensatz zur Rennpiste liegt die Teststrecke auf der Sonnenseite. Es wäre für uns ganz sicher einfacher, wenn wir unmittelbar neben dem Rennhang bei identischen Bedingungen testen könnten. Doch den anderen Skifirmen ergeht es diesbezüglich ja nicht besser als uns. Bei dieser WM testen sämtliche Ausrüster auf derselben Piste.»
Ob die Stöckli-Crew aus diesen Testfahrten die richtigen Erkenntnisse ziehen konnte, wird sich am Mittwoch erstmals zeigen. Dann werden Odermatt, Monney und Co. das erste Training zur WM-Abfahrt bestreiten.