Wenn Daniel Yule und Justin Murisier über den Umweltschutz diskutieren, sind die Differenzen ähnlich gross wie in einer Debatte zwischen Grünen-Präsident Balthasar Glättli und SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Murisier: «Ich fahre in meiner Freizeit leidenschaftlich gerne Motorrad und glaube nicht daran, dass strombetriebene Fahrzeuge unsere Umwelt retten werden. Daniel denkt dagegen wie ein Grüner und macht für Elektroautos Werbung.» Der 30-Jährige erinnert im Nachsatz an den komplett unterschiedlichen Werdegang: «Daniel hat Wirtschaft studiert, ich habe Forstwart gelernt. Er ist ein Kopfmensch, während ich mehr mit meinen Muskeln erledige.»
Rauschende Party auf Mallorca
Trotz dieser Gegensätze sind Murisier und der ein Jahr jüngere Yule beste Freunde. Die beiden Unterwalliser haben im Sommer schon mehrmals zusammen Urlaub gemacht. In Orsières haben sich Daniel und Justin eine «Folterkammer» eingerichtet, in der sie in der Saisonvorbereitung gemeinsam Kraft- und Ausdauer trainieren. In den Pausen wird selbstverständlich kontrovers über Gott und die Welt diskutiert. «Die Diskussionen mit Justin sind wirklich wunderbar. Er erweitert meinen Horizont, umgekehrt bringe ich ihn mit meiner Meinung zum Nachdenken.» Weil Yule im Val Ferret gross geworden ist und Murisier aus dem Val des Bagnes stammt, sind sich die beiden bereits in ihrer Kindheit über den Weg gelaufen.
Die Basis für ihre aussergewöhnliche Freundschaft haben sie aber auf Mallorca gelegt. «Wir waren dort in einem Trainingslager mit Swiss Ski. Wir hatten beide wenig Freude an den langen Velo-Touren», erinnert sich Yule. Murisier nickt: «Am letzten Abend haben wir dann unseren Velo-Frust mit mehr als nur einem Bier heruntergespült. Deshalb musste mich Daniel auf dem Heimweg stützen …»
Slalom-Duell in Frauenkleidung
Einen aufsehenerregenden Auftritt lieferten Yule und Murisier auch am Ende des letzten Winters ab. Bei einem Plausch-Slalom gingen sie als Frauen verkleidet an den Start. «Ich hatte schon lange den Wunsch, für einen Tag eine Frau zu sein. Deshalb habe ich mich mit Daniel in einem Frauen-Mode-Geschäft mit der passenden Kleidung und den entsprechenden Accessoires eingedeckt», verrät Murisier. Nach diesem Experiment hat die Nummer 9 in der Riesenslalom-Weltrangliste aber ziemlich gelitten. «Wegen der schweren Brust-Implantate hatte ich nach diesem Slalom ziemlich starke Rückenschmerzen.»
Dass Justin kurz vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden durch einen Bandscheibenvorfall zurückgeworfen wurde, ist natürlich nicht auf die Silikon-Kissen, sondern auf eine falsche Bewegung im Training zurückzuführen. Sieben Wochen nach der Operation hat er sich mit dem 17. Rang beim Super-G in Beaver Creek aber sehr ordentlich zurückgemeldet. Und nun ist Murisier richtig heiss auf den Riesenslalom vom kommenden Samstag in Val d’Isère (Fr). 24 Stunden später wird Yule auf der extrem steilen «Face de Bellevarde» den ersten Slalom in diesem Weltcup-Winter bestreiten.