Michael Holdener hat aussergewöhnliche Ski-Gene. Seine Cousine ist unsere Slalom-Königin Wendy Holdener (29), Weltklasse-Abfahrer Urs Kryenbühl (28, 3 Weltcup-Podestplätze) ist sein Cousin. Bis im Jahr 2011 darf er selber von einer Karriere im Weltcup träumen – der kräftige Bursche aus Unteriberg gehört damals zu den grössten Nachwuchshoffnungen in der Innerschweiz.
Doch plötzlich offenbart der Schwyzer auf der Piste ungewohnte Schwächen. «Es hat mich bei einem Skirennen in einer Kurve regelrecht zusammengelegt, weil mir urplötzlich die Kraft ausgegangen ist. Und manchmal konnte ich im Ziel fast nicht mehr bremsen, weil die Beine komplett leer waren.»
Seit fünf Jahren im Rollstuhl
Eine ärztliche Untersuchung liefert die schockierende Erklärung für diese Schwächeanfälle. Holdener leidet unter der Erb-Krankheit Gliedergürtel-Muskeldystrophie. Es handelt sich dabei um eine progressive Krankheit, bei der die Muskulatur des Schulter- und Beckengürtels überwiegend oder ausschliesslich betroffen ist. Dieses Leiden ist sehr selten. «Gemäss meinen Ärzten war ich der 17., der in der Schweiz diese Diagnose erhalten hat» erinnert sich Holdener. «Weil so wenige Menschen darunter leiden, ist diese Krankheit ziemlich unerforscht. Deshalb konnten mir meine Ärzte auch keine Prognose über den Verlauf der Krankheit abgeben. Und sie konnten mir auch nicht sagen, was meinem Körper in dieser Situation guttut.»
In seiner Familie hat Holdener aber gleich mehrere Leidensgenossen. Die drei Kinder des ältesten Bruders seines Vaters sind ebenfalls an LGMD erkrankt. Wie heftig es ihn erwischt hat, belegt die Tatsache, dass er seit fünf Jahren auf den Rollstuhl angewiesen ist.
Besonderes Geschenk von Liverpool-Star
Seine Lehre als Schreiner musste er nach eineinhalb Jahren abbrechen. Er hat sich danach zum Kaufmann ausbilden lassen und arbeitet jetzt im Treuhandbüro von Ruedi Holdener, der auch für das Management von Wendy Holdener mitverantwortlich ist. Trotz seines enormen Handicaps versprüht Michael enorm viel Lebensfreude. «Ich lebe in einem grossartigen Umfeld, mit tollen Eltern, einer wunderbaren Freundin und grandiosen Kollegen. Und wenn ich als leidenschaftlicher Fan vom FC Liverpool nach England reise, um ein Spiel von den ‹Reds› zu verfolgen, treffe ich auf den Rollstuhl-Plätzen der Anfield Road Menschen an, denen es sehr viel schlechter geht als mir.»
Aus Liverpool hat er einen ganz besonderen Glücksbringer mitgebracht. «Der Brasilianer Roberto Firmino ist mein absoluter Lieblingsspieler. Zufälligerweise habe ich in Liverpool den Mann kennengelernt, der ‹Bobby› regelmässig mit dem Taxi durch die Stadt chauffiert. Und dieser Taxi-Fahrer hat mir ein Paar Fussballschuhe von Firmino organisiert. Damit hat er mir eine riesige Freude gemacht.» Positiv stimmt ihn auch der derzeitige Verlauf seiner Krankheit: «Seit ich im Rollstuhl sitze, hat sich mein Zustand nicht weiter verschlechtert.»
Der Angriff auf den Jass-Rekord
Richtig viel Freude bereitet Holdener das Jassen. Und in dieser Sparte strebt er am kommenden Samstag zusammen mit seinem Kollegen Kilian Gwerder einen Schweizer Rekord an. «Kilian und ich waren beide Telefonjasser im Samschtigjass. Weil wir dort nicht wie gewünscht aufgetrumpft haben, wollen wir am Unteriberg das grösste Differenzler-Turnier organisieren, das es jemals in der Schweiz gegeben hat.»
Für diesen Rekord benötigt Holdener bis Samstag um 13 Uhr 117 Teilnehmer (Anmeldung auf: www.telefonjasser.ch). Bis jetzt haben sich 114 angemeldet. Seine berühmte Cousine und Nachbarin kann aufgrund der Weltcuprennen in Sestriere am Samstag zwar nicht mitjassen. Dafür würdigt Wendy Holdener Michael mit ganz besonderen Worten: «Es ist absolut bewundernswert, mit wie viel Energie und Freude Michael seinen beschwerlichen Alltag meistert. Mein Cousin ist für mich deshalb auch ein Vorbild!»