Am Freitag vor einer Woche sass Andri Ragettli mit Tränen in den Augen vor dem TV. Er sah, wie Roger Federer – eines seiner Idole – seine Profi-Karriere beendete. «Bis um zwei Uhr morgens. Ich hätte schon lange ins Bett müssen, aber es war spannend. Ich konnte es direkt nachempfinden.» Mit 24 Jahren steckt der Bündner mittendrin in seiner Sportler-Karriere. Seit dieser Woche kann er sich auch Autor nennen.
«Attack your dreams» heisst Ragettlis erstes Buch. Es ist eine Mischung aus Biografie und Ratgeber – nach jedem Kapitel gibt es Motivationstipps. Neben seinen Erfolgen und Titeln schreibt der Freeski-Star auch über Schicksalsschläge, die er erlitten hat.
Anfrage kam vor zwei Jahren
Ein Buch zu veröffentlichen, sei schon immer sein Ziel gewesen – aber erst mit 40 oder 50 Jahren. «Es war nicht geplant. Ich bekam die Anfrage vor zwei Jahren im Corona-Sommer. Ich dachte zuerst, dass es zu früh sei. Warum sollte ich das jetzt machen?» Schlussendlich entschied er sich dafür. Junge Leute, die sein Buch lesen, fühlen sich wahrscheinlich näher, da der Altersunterschied nicht so gross ist wie nach seiner Karriere.
Nebst dem Sport ist Ragettli auch als Social-Media-Star erfolgreich. Verrückte Challenges, Bilder mit Pokalen und Medaillen – es ist aber nicht immer alles Gold, was glänzt. «Ich wollte zeigen, dass nicht immer alles perfekt läuft. Das sieht man auf Social Media nicht. In einem Buch kann man zeigen, was hinter der Kulisse läuft.»
Tod seines Vaters erstmals öffentlich erzählt
So thematisiert Ragettli auch seine Familiengeschichte. Als er ein Jahr alt ist, verstirbt sein Vater Gion-Martin nach einem Arbeitsunfall. Mama Beatrice musste sich alleine um Andri und seine älteren Geschwister Gian und Christina kümmern. Eine Geschichte, die Ragettli bisher nicht öffentlich erzählte. «Das wollte ich früher irgendwie auch noch nicht. Es ist ein Teil von meinem Leben und hat mich ein bisschen, zu dem gemacht, was ich heute bin.»
Weltmeister im Slopestyle, mehrfacher Gewinner der X-Games – so sieht das Palmarès von Ragettli aus. Bei allen Erfolgen gehören Rückschläge aber auch dazu. Im März 2021 verletzt er sich schwer am Knie, wird nach einer Mammut-Reha rechtzeitig für Olympia in Peking fit, landet im Slopestyle aber «nur» auf dem vierten Platz. «Auf eine Art ist es verrückt, wie ich es überhaupt geschafft habe, aber auf der anderen Seite war es auch so knapp – wirklich meine bitterste Pille.»
Es gehöre aber auch zu seinen Stärken, solche Enttäuschungen wegzustecken und weiterzumachen. So nutzte er den Sommer für ausgiebige Ferien auf Bali sowie eine gute Vorbereitung. Im kommenden Winter ist die Freestyle-WM in Georgien sein Fixpunkt. Mit dem Saisonauftakt beim Big Air in Chur und dem Weltcup in Laax gibts aber gleich zwei zusätzliche Heim-Highlights.