Es gibt auf der Weltcup-Tour keine Piste, die von den Rennfahrern mehr Kraft und Kondition abverlangt als die «Stelvio» in Bormio. Im Vorfeld dieser Abfahrt haben sich Experten deshalb besonders oft darüber unterhalten, welcher Abfahrer die besten Kraft-und Ausdauerwerte mitbringt.
«Kein Rennfahrer ist athletisch so gut in Form wie Mauro Caviezel» behauptet Silvano Beltrametti. «Die dicksten Oberschenkel und die grösste Kraft hat Aleksander Aamodt Kilde», glaubt Deutschlands Slalom-König Felix Neureuther.
Fakt ist : Bei diesem Härtetest in Bormio landen die Vorzeige-Athleten Caviezel (Rang 5) und Kilde (6) hinter einem Mann, der vor nicht allzu langer Zeit von seinen Übungsleitern als «schlampiges Genie» bezeichnet wurde. Die Rede ist vom Schwyzer Urs Kryenbühl, der als Dritter seinen ersten Weltcupsieg nur um sechs Hundertstel verpasst.
Topfit dank Bob-Legende «Locki»
Tatsächlich hatte dieser geniale Gefühls-Skifahrer aus Unteriberg bis vor ein paar Jahren keine guten Fitness-Werte. Doch seit Swiss Ski Österreichs Bob-Altmeister Jürgen «Locki» Loacker als Konditionstrainer in der Abfahrts-Gruppe angestellt hat, geht es mit Kryenbühl steil bergauf.
Der Vorarlberger Loacker war als Bob-Pilot mehrfacher österreichischer Staatsmeister und belegte 2008 bei der WM in Altenberg im Vierer den achten Rang. «Ohne Locki wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin» bestätigt Urs. «Vor meiner Zusammenarbeit mit ihm war Kraft- und Konditionstraining ein absoluter Graus und ich habe dementsprechend nur das allernötigste gemacht. Aber Locki ist ein derart guter Mensch und Trainer, dass mit ihm sogar die Zeit in der Folterkammer sehr viel Spass macht.»
Und deshalb bringt der «Ürsel» neben seiner grandiosen Technik nun so viel körperliche Substanz mit, dass er bei seinen fünf letzten Abfahrts-Starts drei Mal den Sprung aufs Podest geschafft hat. Nach seiner «Stockerl-Premiere» vor exakt zwölf Monaten in Bormio (Zweiter hinter Dominik Paris) verletzte er sich im Lauberhron-Training am Syndesmoseband und hat deshalb im letzten Winter nur noch die Abfahrt in Kvitfjell bestritten (Rang 19).
Zweiter Podestplatz diesen Winter
Zum Auftakt in diesen Abfahrts-Winter wurde der Mann, der sich seit einem Jahr vorwiegend Vegan ernährt, in Val-d’Isère Dritter. Nun grüsst der 26-Jährige nach einem kurzen Zwischentief in Gröden (Platz 24) in Bormio erneut vom Podium.
«Vor diesem Winter war es mein Ziel, einmal in die Top-3 zu fahren. Weil ich diese Vorgabe ja bereits jetzt übertroffen habe, werde ich mir über Silvester auch Gedanken bezüglich einer neuen Zielsetzung machen», erzählt Kryenbühl mit einem spitzbübischen Grinsen.
Janka stürzt und muss genäht werden – Hintermann operiert
Richtig gut gelaunt geht natürlich auch Matthias Mayer in die Silvester-Pause - der Abfahrts- und Super-G-Olympiasieger beschert Österreich den ersten Sieg in dieser Saison. Während unser Riesen-Talent Marco Odermatt (23) als Zwölfter sein bisher Abfahrts-Ergebnis seiner Weltcup-Laufbahn realisiert, klassiert sich Beat Feuz als Zehnter erstmals seit März 2017 in einer Abfahrt ausserhalb der Top-8 verliert aber lediglich sechs Zehntel auf die Bestzeit.
Carlo Janka stürzt nach knapp 20 Fahrsekunden und muss am Kinn genäht werden. Niels Hintermann beklagt sich nach seinem Ausfall über Knieschmerzen und wird am Donnerstag in der Schweiz genau untersucht werden.
Update: Der Schweizer Ski-Verband gibt am frühen Silvesterabend bekannt, dass sich Hintermann in der Bormio-Abfahrt eine Knorpelverletzung am Knie zugezogen hat und an der Universitätsklinik Balgrist bereits operiert wurde (Arthroskopie). Die Operation sei gut verlaufen – allerdings wird erst in den kommenden Wochen klar werden, wann Hintermann zurückkehrt.