Kaum ist der Riesenslalom in Val d'Isère vorüber, geht der Ski-Zoff abseits der Piste wieder weiter. Denn bei den Fahrerinnen und Fahrern brodelt es weiter. Der Grund: Die Athleten haben Johan Eliasch, den Boss des internationalen Ski-Verbandes FIS, aufgefordert, die 400 Millionen Offerte vom Private-Equity-Unternehmen CVC nach einer schnodderigen Absage noch einmal seriös zu überprüfen.
Weil Eliasch danach seinerseits mit einem Seitenhieb reagierte und behauptete, dass ein Grossteil der Athleten gar nicht gewusst hätte, wofür sie sich da starkgemacht hätten, ist der Ärger im Fahrerfeld gross.
Der Schweizer Superstar Marco Odermatt will das nicht so stehenlassen. «Ich kann zwar nicht für alle 71 Athleten reden, aber ich kenne viele, von denen ich ganz genau weiss, dass sie voll und ganz hinter diesem Brief stehen», sagt Odermatt und legt nach: «Keiner von uns Rennfahrern ist Anwalt. Aber uns geht es darum, dass von der FIS-Führung nicht irgendwelche Dinge unter den Tisch gewischt werden. Wir erwarten die volle Transparenz.»
Prompt folgt am Samstagabend dann der nächste Knall: In einem weiteren Brief bezeichnen die Ski-Stars die Äusserungen des FIS-Bosses als «unzutreffend» und «herablassend». Zudem wollen die Fahrerinnen und Fahrer, die mit Head-Material an den Start gehen, ab sofort bei dem Vermarktungs-Zoff nicht mehr namentlich genannt werden. Weil Eliasch nicht nur FIS-Boss ist, sondern auch beim Ski-Hersteller Head das Sagen hat, befürchten sie Konsequenzen.
Der Ton im Weltcup-Zirkus wird rauer, die Spannungen ganz offensichtlich grösser.
Tumler mit Eier-Geständnis
Das ist vor allem aus Schweizer Sicht nach diesem Riesenslalom-Samstag schade, trübt es doch einen ansonsten starken Auftritt des Männer-Teams. Und dieser war ein hartes Stück Arbeit: Obwohl Marco Odermatt zur Halbzeit vom Riesenslalom in Val d’Isère in Führung lag, schaute Stöckli-Rennchef Marc Gisin nach 15 Fahrern im zweiten Durchgang mit sorgenvollem Blick in den Himmel und stöhnte: «Das wird eine verdammt schwierige Aufgabe für Odi, weil das Wetter immer schlechter wird!»
Tatsächlich tobte sich der Wettergott auf der «Face de Bellevarde» richtig heftig aus: Während zu Beginn vom Final die Sonne schien, mussten die Top-Cracks plötzlich mit der Horror-Kombination Schnee und Nebel zurechtkommen. Das führte dazu, dass Hochkaräter wie Atle Lie McGrath (No, von 5 auf 21) oder unser Beaver-Creek-Triumphator Thomas Tumler (von 6 auf 25) weit zurückfielen.
Der Bündner lieferte danach den Spruch des Tages: «Ich bin mit richtig dicken Eiern gestartet, aber weil ich null Bodensicht hatte, sind meine Eier relativ schnell geschrumpft. Es war der härteste Riesenslalom, den ich je gefahren bin!»
«Da war mir klar, dass es brutal hart würde»
Weil bei diesen brutalen Bedingungen auch der Walliser Loïc Meillard (von Platz 3 auf 9) und Norwegens Super-Elch Henrik Kristoffersen nicht das ideale Rezept fanden, sass immer noch der Österreicher Patrick Feuerstein (28,Halbzeit-Rang 24) auf dem Leaderstuhl, als Marco Odermatt am Start stand. Obwohl der Weltmeister und Olympiasieger einen Vorsprung von 2.49 Sekunden auf den Vorarlberger aufwies, entwickelte sich ein dramatischer Zweikampf.
Letztendlich waren es acht Hundertstel, die den Ausschlag für den dreifachen Gesamtweltcupsieger aus dem Kanton Nidwalden gaben. Odermatt sprach danach von einem zweiten Lauf, wie es ihn in den letzten Weltcup-Jahren ganz sicher nie gegeben habe. «Ich habe mir vor dem Start die Fahrt von Thomas Tumler angesehen. Danach war mir klar, dass es für mich brutal hart werden würde, dass sich die Fahrt richtig scheisse anfühlen wird.»
«Ich war nicht amüsiert»
Umso wohltuender war für Odermatt das Ende, dieses grenzwertigen Wettkampfes: Mit seinem vierten Face de Bellevarde-Triumph en Suite zieht der 27-Jährige im ewigen Val d’Isère-Ranking mit dem Berner Oberländer Riesen-Held Mike von Grünigen gleich. Zudem weist der Buochser nun gleich viele Riesenslalom-Weltcupsiege wie Amerikas «Mr. Giant» Ted Ligety auf (24).
Die grösste Genugtuung ist für Odermatt aber die Tatsache, dass er nach drei Riesenslalom-Ausfällen in Serie einigen Experten den Beweis erbringen konnte, dass er nichts von seiner grossen Klasse eingebüsst hat. «Es war sicher nicht so, dass mich die zahlreichen Experten-Stimmen in den letzten Tagen amüsiert haben. Wenn es mal zwei, drei Rennen nicht so gut läuft, will es jeder besser wissen. Letztendlich war mir aber schon klar, worauf ich mich konzentrieren muss.»
Aernis Riesen-Coup
Besonders viele Rückschläge musste in den letzten sieben Jahren Luca Aerni einstecken. Nach seinem sensationellen Kombi-Gold bei der WM in St. Moritz wurde der Wallis-Berner (aufgewachsen in Grosshöchstetten, seit 2018 in der Region Crans Montana wohnhaft) vor allem durch Rückenprobleme eingebremst. Wozu der Slalom-Spezialist auch im Riesenslalom fähig ist, wenn er ohne Beschwerden angreifen kann, demonstrierte Aerni in Val d’Isère auf dem steilsten Riesen-Hang der Welt.
Nachdem er sich mit der letzten Startnummer (62) als dreissigster und somit letzter für den Final qualifiziert hatte, gelang ihm mit einer grandiosen Laufbestzeit der Sprung auf den vierten Rang. Dass dem 31-Jährigen zu einem Stockerlplatz lediglich elf Hundertstel fehlten, störte ihn nicht im Geringsten: «Wenn ich im ersten Durchgang drei Hundertstel langsamer gewesen wäre, hätte ich mich nicht für Lauf zwei qualifiziert. Deshalb bin ich mit dem Endergebnis mehr als zufrieden.»