Beim Thema Brünig haben in den vergangenen Jahren ganz viele «Böse» die Faust im Sack gemacht. «Ihr dürft uns ja nicht in der Zeitung zitieren, aber aufgrund von mangelnder Wertschätzung müssten wir den Brünig einmal boykottieren», haben diverse Spitzenschwinger im Gespräch mit Blick hinter vorgehaltener Hand gesagt.
Die Zeiten, in denen die Eidgenossen lediglich hintenrum über das prestigeträchtigste Bergkranzfest geflucht haben, sind nun vorbei. Kilchbergsieger Fabian Staudenmann (23) hat dem Brünig-OK einen Brief geschrieben, der die Kritikpunkte der Schwinger, aber auch Verbesserungsvorschläge beinhaltet.
Schwingerkönig Christian Stucki (39), der im letzten Sommer seine glorreiche Karriere nach seinem 44. Kranzfestsieg beendete, hat diesen Brief auch gelesen und lobt den Autor: «Fäbu hat genau die richtigen Worte gefunden. Wenn ich noch aktiv wäre, hätte ich diesen Brief auch unterschrieben.»
Kein WC für die Schwinger!
Dass beim Brünig-Schwinget die Zeit stehen geblieben ist, wird nicht zuletzt beim Preisgeld ersichtlich. Obwohl die rund 8000 Zuschauer in der restlos ausverkauften Natura-Arena an der Kantonsgrenze Bern-Obwalden Jahr für Jahr einen florierenden Umsatz in der Festwirtschaft garantieren, kassiert der Sieger lediglich 1500 Franken. Zum Vergleich: Auf der Schwägalp erhalten die Top 3 wertvolle Lebendpreise.
Was den Schwingern aber noch viel saurer aufstösst, ist die Tatsache, dass ihre Liebsten das Kräftemessen auf dem Brünig vielfach nicht live miterleben können, weil sie keine Eintrittskarten erhalten. Das OK wird deshalb aufgefordert, dass die Angehörigen der Protagonisten ein Vorkaufsrecht für Tickets erhalten.
Angeprangert werden auch die Platzverhältnisse auf der Passhöhe. Obwohl die Arena 2010 umgebaut wurde, fühlen sich die Schwinger in ihrer viel zu kleinen Garderobe weiterhin wie ein Huhn in der Legebatterie. Ein WC für die Wettkämpfer gibt es auf dem Brünig auch nicht. Staudenmann, Wicki und Co. müssen sich mit den Zuschauern in die Warteschlange stellen, wenn sie vor dem Gang ins Sägemehl die Blase entleeren wollen. Trotz dieser Engpässe haben sich die Brünig-Bosse im Gegensatz zu den anderen Veranstaltern der Bergkranzfeste bis dato geweigert, das Teilnehmerfeld von 120 auf 90 zu reduzieren.
Ein König hat den Brünig bereits boykottiert
Damit in Zukunft einiges besser wird, haben zahlreiche Spitzenschwinger aus dem Berner Mittelland, Seeland und Oberaargau den Brief von Staudenmann unterzeichnet. Die erste Reaktion von Brünig OK-Präsident Walter von Wyl: «Wir haben den Brief erhalten und werden uns mit Staudenmann zusammensetzen.» Dem Vernehmen nach wird es Ende April zum Gipfeltreffen zwischen Fabian Staudenmann und einem Teil vom Brünig-OK kommen.
Übrigens: Mit Nöldi Forrer (45) hat ein König den Brünig-Schwinget jahrelang boykottiert. Im Sommer 2011 hat der Toggenburger am Brünig-Sonntag demonstrativ ein Fotoshooting mit einem Alligator in Frankfurt (D) absolviert. Der ESAF-Sieger von 2001 klopfte bei dieser Gelegenheit einen legendären Spruch: «Lieber ein Alligatorschwanz als ein Brünig-Chranz!»
Es versteht sich von selbst, dass auch Forrer die Petition von Staudenmann unterschreiben würde. «Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob für diese Brünig-Mängelliste zwei Seiten ausgereicht haben», witzelt der 45-jährige Rekord-Kranzer und legt ernsthaft nach: «Für mich beginnt es damit, dass die Schwinger auf dem Brünig nicht einmal eine Parkkarte erhalten und deshalb ihr Auto irgendwo im Juhee hinstellen müssen. Das Schlimmste ist aber in meinen Augen, dass es für die Athleten kein WC gibt. Das kann einfach nicht sein!»