Kein Schwing-Training seit Monaten
Bundesrätin Amherd lässt König Stucki trotz Bettelbrief abblitzen!

Obwohl sie einen Brief von König Stucki erhalten hat, will Sportministerin Viola Amherd offenbar nicht den «Schlungg» machen, den sich die Schwinger erhofft haben.
Publiziert: 04.01.2021 um 12:02 Uhr
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Christian Stucki hat einen Brief an den Bundesrat geschrieben.
Foto: Sven Thomann
Marcel W. Perren

Die Stimmung in der einst so beschaulichen Schwinger-Welt wird von Tag zu Tag ungemütlicher. «In allen anderen Sportarten darf auch in Corona-Zeiten trainiert oder gespielt werden, aber wir dürfen nicht Sägemehl. Es muss ganz bald etwas passieren», fordert Brünig-Sieger Pirmin Reichmuth. Zur Erinnerung: Die Schwinger dürfen seit einem Bundesratsbeschluss von Anfang November im Gegensatz zu Schweizer Box-Profis derzeit kein Körperkontakt-Training absolvieren, weil sie auf dem Papier lediglich Amateur-Status haben. Schwingerkönig Christian Stucki, der 2019 vor Roger Federer zum Schweizer Sportler des Jahres gewählt wurde, hat deshalb in der ersten Dezember-Woche einen Brief an den Bundesrat geschrieben (BLICK berichtete).

Wie reagiert Sportministerin Viola Amherd auf das königliche Schreiben, welches die Bitte von einer Trainings-Sonderbewilligung für die Schwinger im ganzen Land beinhaltet?

«Keine Zweiklassengesellschaft!»

Gemäss BLICK-Recherchen würde Frau Amherd höchstens eine Ausnahmeregelung für die «Bösen» erteilen, welche den Eidgenössischen Kranz gewonnen, oder bei einem Kranzfest obenaus geschwungen haben. Doch für einen derartigen Kompromiss sind die hohen Herren vom Eidgenössischen Schwingerverband nicht empfänglich. Stefan Strebel, Technischer Leiter vom ESV, sagt zu BLICK: «Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft in unserem Sport. Entweder, wir erhalten die Erlaubnis, dass auch die Nicht-Kranzer ihr Training wieder aufnehmen dürfen. Wenn nicht, müssen halt auch die Spitzenschwinger bis auf weiteres auf Zweikämpfe im Sägemehl verzichten.»

Diese konsequente Haltung tangiert die Berner Zukunftshoffnungen Michael Wiegt und Fabian Staudenmann ganz besonders. Die beiden 22-Jährigen wurden als einzige Schwinger für die Spitzensportler RS in Magglingen rekrutiert.

Auch kein Schwinger-WK

Damit sich die beiden Neo-Eidgenossen im Militär richtig stark entwickeln können, hat ESV-Boss-Strebel mit Matthias Glarner den König von 2016 als «Armee-Schwing-Trainer» verpflichtet. Ab übernächster Woche hätten die Rekruten Wiget und Staudenmann mit Hochkarätern wie Armin Orlik oder Kilian Wenger (König 2010) zusammengreifen sollen, die in Magglingen einen Schwinger-WK absolvieren. Doch daraus wird nun natürlich auch nichts. Und das tut Michael Wiget richtig weh. «Ich habe mich wie ein kleiner Bub darüber gefreut, als ich für die Spitzensportler RS ausgehoben wurde. Ich habe das Armee-Schwingtraining mit Giganten wie Orlik oder Wenger als riesengrosse Chance betrachtet. Nun ist diese Chance wohl dahin» stöhnt der Mann, der 2019 beim Berg-Klassiker auf dem Weissenstein erst im Schlussgang von Sämi Giger gestoppt wurde.

Wiget fügt zwar an, «dass es wirklich super ist, dass wir in der RS jeden Tag unter den besten Voraussetzungen Ausdauer und Kraft trainieren können. Aber weil wir halt eben Schwinger und keine Gewichtheber sind, leiden ich schon heftig unter dem Sägemehlentzug.»

Erst Mitte März wieder im Keller?

Ende Oktober hat der Bundesrat dieses Verbot für Trainings mit Körperkontakt für unbestimmte Zeit ausgerufen. Aufgrund der Corona-Entwicklung in der Schweiz rechnet Wiget, der neben seiner Sportler-Laufbahn ein Jura-Studium absolviert, damit, dass er und seine Kameraden bis in den Frühling unter Sägemehl-Entzug leiden werden: «Wir müssen davon ausgehen, dass wir erst Mitte März wieder in den Schwingkeller dürfen. Somit dürfte uns für die Vorbereitung auf die ersten Kranzfeste vielleicht sechs Wochen bleiben, was meiner Ansicht nach definitiv zu wenig ist.»

In den letzten Wochen konnte Wiget übrigens auch nicht richtig Kraft- und Kondition trainieren. «Ich hatte starken Husten und Fieber. Obwohl meine Corona-Tests negativ waren, gehen die Ärzte davon aus, dass ich an diesem Virus erkrankt bin. Jetzt geht es mir aber körperlich wieder tiptop.»

Falls Frau Amherd den Schwingern doch noch eine kollektive Sondergenehmigung erteilt, würde es Rekrut Wiget auch seelisch wieder richtig gut gehen.

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