Auf einen Blick
- Michael Bless ist in der Freizeit Hypnosetherapeut
- Der Ex-Schwinger nutzt einen alten Metzgerraum für seine Praxis
- Er spezialisierte sich auf Sporthypnose und betreut Athleten
Michael Bless (38) sorgte in der Schwinger-Szene einst für heftige Diskussionen. Traditionalisten störten sich an seinen Tätowierungen. «Passt das zu uns?», fragte sich die Schwinger-Familie. Ebenso kritisch wurden die Moderationsauftritte des vierfachen Eidgenossen in der Hochglanz-Sendung «G&G» auf SRF gesehen.
Das jüngste Gesprächsthema betrifft das neue Hobby des 2022 zurückgetretenen Schwingers. Bless ist seit etwas mehr als einem Monat ausgebildeter Hypnosetherapeut. «Ich mache mein Ding. Was andere über mich denken, ist mir egal», so Bless. Blick trifft ihn in Gais AR. Wenige Meter von seinem Haus entfernt finden die Hypnosesitzungen in seiner Praxis statt.
Als Schwinger ging er zum Giger-Hypnotiseur
Der Raum gehört zu einem alten Bauernhaus. Früher wurde dieser als Metzgerei genutzt. «Als gelerntem Metzger passt dieser Ort perfekt zu mir.» Noch bevor er die intensive achttägige Ausbildung beendet hatte, war der Raum bereits eingerichtet. «Ich wollte sofort mit den Behandlungen anfangen, sonst beginnst du vielleicht nie.»
In einem Zusatz-Kurs spezialisierte sich Bless auf Sporthypnose. Bei ihm sei aber jeder willkommen. Der Gedanke an eine eigene Hypnose-Praxis begleitet den 96-fachen Kranzgewinner seit mehreren Jahren. Das Thema selbst interessiert Bless noch viel länger.
Als aktiver Schwinger ging er zu einem Hypnosetherapeuten. Sein Name ist mittlerweile bestens bekannt. Adrian Brüngger betreut unter anderem Unspunnensieger Samuel Giger. Die Hilfe von Brüngger beanspruchte Bless 2012. Zwei Jahre zuvor gewann der Ostschweizer seinen ersten eidgenössischen Kranz. In der folgenden Saison triumphierte er beim Luzerner, Appenzeller und Schaffhauser Kantonalen. Dann geschah Mysteriöses. «Ich war vor den Gängen plötzlich gehemmt. Es fehlte die Spannung. Ich hatte eine Angst in mir.»
Eine Packung Taschentücher liegt bereit
Bless suchte verschiedene Mentaltrainer auf. Keiner konnte sein Problem lösen. Schliesslich gab ihm jemand den Tipp, doch einmal bei Brüngger vorbeizuschauen. «In der Hypnose sucht man nach dem Auslöser des Gefühls. Sei es die Angst vor einer Spinne, die Nervosität vor einem Kampf oder eine Depression. Alles hat irgendwo seinen Ursprung», sagt Bless.
Beim Appenzeller lag die Ursache seiner Gefühle in der Kindheit. Während der Hypnose erlebte er diesen Moment noch einmal. «Wir neutralisieren diese Gefühle, damit sie uns nicht mehr negativ beeinflussen können.» Dieser Prozess verlangt den Patienten unter Umständen einiges ab. «Die Gefühle von damals kommen wieder hoch. Deshalb liegt immer eine Packung Taschentücher bereit.»
Ein schlechtes Geschäftsmodell
Ein Erlebnis wird Bless wohl nie mehr vergessen. Eine Athletin kam zu ihm, die wegen der Angst vor dem Wettkampf ein Gefühl der Atemnot verspürt. «Wir gingen diesem Gefühl nach und kamen an den Ursprung und zum Auslöser des Gefühls, wo sie tatsächlich in Atemnot war.» Daran konnte sie sich selbst nicht mehr erinnern. «Als sie diesen Moment bei mir wieder erlebte, schnappte sie nach Luft. Nach der Hypnose erzählte sie, dass sie das Gefühl hatte, auf dem Stuhl zu ersticken.»
Seither ist sie von der Angst und dem Gefühl der Atemnot befreit. Was Psychologen in teilweise über fünfzig Sitzungen nicht wegbringen, gelingt mit der Hypnose in wenigen Stunden. «Es ist ein schlechtes Geschäftsmodell», meint Bless lachend.
Als er mit dem Hypnotisieren begann, durfte seine Frau das Versuchskaninchen spielen. «Sie zu hypnotisieren, klappte relativ einfach.» Zurzeit ist Hypnose sein Hobby, daneben arbeitet er Vollzeit für eine Versicherung im Aussendienst. An Schwingfesten ist er ab und zu als Betreuer der Appenzeller anzutreffen. Einige sind schon auf seinem Hypnose-Stuhl gesessen. «Ich erhalte viele positive Rückmeldungen. Es läuft sehr gut.» Für nächste Woche haben sich bereits fünf weitere Personen angemeldet.