Die Stimmung im Stockengut ist auf dem Siedepunkt. Es ist der Lokalmatador Samir Leuppi, der die Arena oberhalb vom Zürichsee zum Kochen bringt. Der 28-jährige Winterthurer wähnt sich nach einem wuchtigen «Churz» gegen Bernhard Kämpf im Schlussgang und lanciert die «La-Ola-Welle». Doch auf einen Chlapf verwandelt sich die überschwängliche Stimmung bei Leuppi und seinem Anhang in Tristesse.
Sie alle haben sich zu früh gefreut, weil der Kampfrichter Samirs Wurf die Gültigkeit verweigert. Der 145-Kilo-Koloss schüttelt ungläubig sein kantiges Haupt und die TV-Zeitlupe gibt ihm recht – Kämpf liegt für einen Moment mit mindestens zwei Drittel der Schulterpartie im Sägemehl. Aber weil es im Schwingsport halt im Gegensatz zum Fussball noch keinen VAR gibt, geht der Kampf weiter.
Kampf endet gestellt
Der «Pfupf» ist aber nach dieser höchst umstrittenen Szene raus, der Gang endet gestellt und Leuppi verpasst somit die historische Chance, als erster Zürcher seit Karl Meli (1973) den Kilchberger Schlussgang zu bestreiten. Klar: Der Kampfrichter hatte im Duell Leuppi-Kämpf Tomaten auf den Augen. Der dreifache Kranzfestsieger gibt die Schlussgang-Teilnehme aber auch selber aus der Hand. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
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Stefan Strebel, technischer Leiter vom Eidgenössischen Schwingerverband, sagt zu SonntagsBlick: «Ein Gang ist nun einmal erst dann gewonnen, wenn das «Gut» vom Kampfrichter kommt. Und Samir hat den Gegner losgelassen, bevor dieses Gut gekommen ist.»
«Leuppi ist selber schuld»
Der dreifache Eidgenosse Niklaus Zenger, der mittlerweile als Experte für Radio Berner Oberland tätig ist, sieht es ähnlich: «Leuppi ist tatsächlich auch selber schuld. Er hätte Kämpf lediglich zwei Sekunden länger fixieren müssen, dann wäre das Gut vom Kampfrichter ganz sicher gekommen.»
Leuppi, der bei der Transportpolizei der SBB arbeitet, ist also der tragische Held des Tages. Sein kurz vor der Pension verstorbener Grossvater wäre trotzdem stolz auf den 1,94 Meter langen Giganten mit dem arabischen Vornamen. Der Vater seines Stiefvaters war Samirs grösster Förderer. «Grossvater hatte als Nationalturner eine Affinität zum Schwingsport und er hat schon früh erkannt, dass ich die idealen Voraussetzungen fürs Schwingen mitbringe. Er war es dann auch, der mich als Knirps ins Training gefahren hat.»