Nach einigen Minuten verliert Lario Kramer (25) die Geduld. Er zieht die Zwilchhosen an, betritt den Sägemehlring – und wird von den Zuschauern verspottet. «Man müsste halt das ABC können», ruft ein Zuschauer. Der Kampfrichter verdonnert Kramer zu einem Zwilchhosen-Wechsel. Wie bitte?
Passiert ist es im dritten Gang des Baselstädtischen Schwingertages. Im Duell gegen Sinisha Lüscher (18) erscheint Kramer in dunklen Zwilchhosen. Sein Gegner trägt die gleiche Farbe. Es gibt dunkle und helle Hosen, damit die Zuschauer die Schwinger besser unterscheiden können.
Mehr zum Schwingen
Das Alphabet entscheidet, wer in welchen Hosen schwingt. Die helleren Hosen trägt derjenige Schwinger, welcher zuerst im Alphabet (Nachname) erscheint. Das K von Kramer kommt vor dem L von Lüscher. Deshalb musste der Eidgenosse die Hosen wechseln. Doch wie konnte einem mehrfachen Kranzfestsieger ein solcher Fauxpas unterlaufen?
So funktioniert das Hosen-Zelt
Nach seinem dritten Sieg im fünften Gang liefert Kramer Antworten – und kritisiert dabei das Organisationskomitee: «Es hat zu wenig Hosen! Weil es keine hellen Hosen gab, und ich nicht ewig warten kann, habe ich mir halt dunkle angezogen.»
Raymond Stalder, der Präsident des Schwingverbandes Basel-Stadt, reagierte am Freitagmorgen auf die Kritik. «Wenn einige Schwinger gleichzeitig aufgerufen wurden und ihre Zwilchhosen holten, konnte es vorkommen, dass es eine Hosengrösse 0 in hell und dunkel zu wenig im Schwinghosenzelt hatte.» Weiter meint er: «Man hätte auch in zwei hellen Hosen schwingen können.»
In der Basler «Sandgrube» stand neben dem Schwingplatz erstmals ein sogenanntes Hosen-Zelt. Ein mehr oder weniger neues Konzept. Im Hosen-Zelt holen sich die Schwinger ihre Zwilchhosen, ziehen sie an und bringen sie nach dem Gang wieder zurück. So können sich die Kampfrichter voll und ganz auf ihre Aufgabe konzentrieren, ohne dass sie von den Schwingern gestört werden.
Kramer kontert Zuschauer-Aussage
«Dieses System finde ich grundsätzlich gut», erklärt Kramer. «Aber damit das funktioniert, braucht es genug Hosen.» Mit der Kritik ist der Südwestschweizer Gemüsegärtner nicht alleine. Andere Schwinger kämpften mit dem gleichen Problem. Deshalb tauchten viele Athleten zu spät am Kampfrichtertisch bei ihrem Platz auf. Immer wieder forderte der Speaker die Schwinger auf, sich «schnellstmöglich» dort zu melden. «Als das Problem festgestellt wurde, haben Helfer auf dem Platz herumliegende Schwinghosen ins Zelt zurückgebracht», so Stalder.
Trotz Zwilchhosen-Wirbel qualifizierte sich Kramer für den Schlussgang. Eine Alibi-Übung. Denn: Joel Strebel (27) stand bereits nach fünf Gängen als Sieger fest. So gross war sein Punktvorsprung. Im letzten Kampf des Tages bodigte der Nordwestschweizer auch Kramer, der auch mit einem Sieg nicht mehr hätte triumphieren können. Sechs Kämpfe, sechs Siege. Es ist Strebels zweiter Kranzfestsieg innerhalb weniger Tage. Am letzten Sonntag triumphierte er am Solothurner Kantonalen. Das Schlusswort gehört Kramer. In Richtung der Zuschauer meint er: «Ich beherrsche das ABC.»