Die Schweiz starrt fasziniert nach Pratteln. Dort rötet sich in aller Herrgottsfrühe nicht der Alpenfirn. Sondern höchstens die Hochhäuser der Basler Agglomerationssiedlungen oder die Türme der Chemiefirmen in der Umgebung.
Pratteln ist mit einem Ausländeranteil von vierzig Prozent nicht das Mekka des Schwingsports. Aus der Region Basel kommt derzeit kein eidgenössischer Kranzschwinger. Doch der Faszination und Begeisterung für den Schwingsport und für das grösste Fest der Schweiz in der grössten mobilen Arena der Welt tut dies keinen Abbruch.
Ein Land ist im Schwing-Fieber.
Und die sportliche Ausgangslage ist hoch brisant. Es gibt Fragezeichen zuhauf. Die vielen Verletzungen und gesundheitlichen Rückschläge von Topschwingern machen eine Prognose so schwierig wie nie. Wie präsentiert sich König Christian Stucki? Wie stark ist Pirmin Reichmuth? Ist Joel Wicki nach seine Handverletzung so explosiv und unwiderstehlich wie vor drei Jahren in Zug?
Klar ist eigentlich nur: Der Kronfavorit heisst Samuel Giger. Der bärenstarke Ostschweizer Überflieger, getauft auf den Namen eines biblischen Propheten, kann auch nicht in die Zukunft schauen. Aber er hat die Gewissheit, dass der Weg zum Titel über ihn führen wird. Hält er der mentalen Belastung und der riesigen Erwartungshaltung stand, dann wird die Krone nach zwölf Jahren wieder in die Ostschweiz gehen. Dorthin, wo sie dank Jörg Abderhalden, Nöldi Forrer und Thomas Sutter zuvor während 15 Jahren ihre Heimat hatte.
Nur die Innerschweiz, der grösste Teilverband des Landes, sitzt weiter auf dem einen Titel von Harry Knüsel. Die Sehnsucht nach einem König wird immer grösser.
Aber Giger ist halt Ostschweizer. Und der Mann mit Appenzeller Wurzeln hat das Schwingen im athletischen Bereich noch einmal auf eine neue Stufe gehievt. Er hat mit seiner Grösse von 1,94 und seinen 123 Kilo Gardemasse. Er ist technisch vielseitiger geworden und hat auch im mentalen Bereich gearbeitet. Er ist ein toller Botschafter für das Schwingen und hat in allen Belangen königliches Format. Doch auch Giger weiss, wie dünn die Luft im Ring ist. Wie schnell man einen Gestellten auf dem Notenblatt hat, wie viele Mosaiksteinchen auch bei einem Topfavoriten in zwei Tagen zusammenpassen müssen. Die Geschichte des Eidgenössischen ist gepflastert mit gestolperten Kronfavoriten.
Es muss immer zuerst geschwungen werden, lautet die Lieblingsfloskel im Sägemehl. Stimmt.
Darum: Fangt endlich an!
