Der grosse Sport fängt dort an, wo er längst aufgehört hat, gesund zu sein, hat der deutsche Lyriker Bertolt Brecht mal gesagt. Und damit ins Schwarze getroffen. Seine Aussage würde wohl auch so mancher Schwinger unterschreiben. Praktisch jeder Böse hat im Verlauf seiner Karriere, spätestens aber gegen deren Ende, mit Blessuren und immer wiederkehrenden Schmerzen zu tun. Davor ist auch ein Schwingerkönig wie Kilian Wenger (33) nicht gefeit.
Im Juni musste er seine Teilnahme auf dem Stoos kurzfristig wegen wiederkehrenden Rückenproblemen absagen. Eine zweifache Diskushernie macht dem Familienvater das Schwinger-Leben schwer. Dazu kommen Verschleisserscheinungen. «Wenn du im Training immer und immer wieder die gleiche Bewegung machst, nützt sich der Körper irgendwann ab. Das ist bei mir im Rücken der Fall.»
Noch mehr Schwingen
Aufwärmen, Dehnen und Kortisonspritzen
Im Moment aber sei der Rücken stabil. Das kommt nicht von ungefähr. Es ist ein ständiges Abwägen zwischen Erholung und Training, Einsatz und Zurückhaltung. Eine Gratwanderung, wie Wenger es nennt. Die Vorsichtsmassnahmen – sauberes Aufwärmen, Dehnen, Mobilisierung – nehmen mittlerweile locker doppelt so viel Zeit in Anspruch wie zu Beginn seiner Karriere. Auch auf Kortisonspritzen hat der Oberländer schon zurückgegriffen. Den Physiotherapeuten sieht der Schwingerkönig etwa gleich häufig wie den Konditionstrainer. Und Wenger weiss langsam, wie der Körper tickt. «Das lernst du mit der Zeit. Irgendwann weisst du, ob etwas nur gezerrt oder gerissen ist.»
Doch all diese Strapazen sind es wert für diese kurzen schönen Momente im Sägemehl. Egal, ob im Schwingkeller oder in der Arena. Denn auch wenn der letzte Festsieg, notabene auf dem Brünig, schon ein Weilchen her ist und Wenger wegen der Corona-Pandemie 2021 vor leeren Rängen jubeln musste, hat er noch nicht genug. «Ewig wird meine Karriere nicht mehr gehen, das ist logisch. Aber noch macht es mir zu grosse Freude, als dass ich einfach aufhören könnte.»
Lukas Döbeli – Fabian Staudenmann
Patrick Räbmatter – Kilian Wenger
Nick Alpiger – Matthias Aeschbacher
Joel Strebel – Adrian Walther
Benjamin Gapany – Thomas Sempach
Romain Collaud – Christian Gerber
Michael Ledermann – Johann Borcard
Kilian von Weissenfluh – Steven Moser
Oliver Hermann – Matthieu Burger
Curdin Orlik – Marc Gottofrey
Lukas Döbeli – Fabian Staudenmann
Patrick Räbmatter – Kilian Wenger
Nick Alpiger – Matthias Aeschbacher
Joel Strebel – Adrian Walther
Benjamin Gapany – Thomas Sempach
Romain Collaud – Christian Gerber
Michael Ledermann – Johann Borcard
Kilian von Weissenfluh – Steven Moser
Oliver Hermann – Matthieu Burger
Curdin Orlik – Marc Gottofrey
Auch wenn der Diemtigtaler bereits über 100 Kränze gesammelt und sich schon 2010 am ESAF in Frauenfeld die Krone aufgesetzt hat, gibt es noch Ziele zu erreichen. «Einen weiteren Festsieg möchte ich schon noch feiern.» Den nächsten Anlauf nimmt er am Samstag beim Weissenstein Schwinget.
Vernunft walten lassen
Sorgt er sich denn nicht, dass er sich nun, zum Ende seiner Karriere, den Körper nachhaltig kaputtmachen könnte? «Nein. Wenn es zu viel wird, setze ich meine Gesundheit nicht aufs Spiel, sondern lasse halt ein Fest sausen.» Die Rückenprobleme werden ihn zwar auch nach der aktiven Karriere ab und zu plagen. «Aber die Belastung wird dann schon viel kleiner. Für den Alltag mache ich mir keine Sorgen.»
Noch ist es aber nicht so weit, noch schwingt der letzte aktive Berner König. Mindestens bis zum Unspunnen. Und vielleicht noch ein wenig länger.