Schreck-Moment für Eidgenosse Gnägi
Einigen Zuschauern stockt der Atem. Florian Gnägi (35) knallt im fünften Gang kopfüber ins Sägemehl. «Im ersten Moment hatte ich brutale Angst, dass etwas Schlimmes passiert ist», erzählt er später. «Ich habe ein Knirschen im Nacken gespürt und er wurde heiss.» Die Sanitäter rennen auf den Platz und kümmern sich um den Eidgenossen. Nach kurzer Zeit fühlt sich sein Nacken wieder besser an. Der Berner schwingt weiter und bezwingt kurz darauf seinen Gegner Adrian Klossner.
In der Garderobe gibt der Physio Entwarnung. Danach gewinnt Gnägi auch seinen letzten Kampf und sichert sich den Kranz. «Bei den Drehungen schränkte mich mein Nacken leicht ein, aber ich will nicht jammern. Zum Glück ging alles glimpflich aus.» Im vierten Gang leistete Gnägi dem Berner Team einen wichtigen Dienst. Der Seeländer stellte gegen Armon Orlik. Damit nahm er einen starken Gast aus dem Schlussgang-Rennen. «Ich hatte die Energie nicht, um mitzuschwingen. Daher wollte ich einfach nicht verlieren.» Eine Grippe erwischte Gnägi im Vorfeld. «Ich lag komplett flach. Am Freitagabend wusste ich noch nicht, ob ich antreten werde.» Sein Energie-Level reichte letztlich zum starken vierten Rang.
Ein König redete Roth ins Gewissen
Die Kranzstatistik von Philipp Roth (29) sorgt auf den Schwingplätzen immer wieder für Diskussionen. Der Berner durfte sich bereits zwei eidgenössische Kränze aufsetzen lassen. An einem Teilverbands- oder Bergfest ging er jedoch immer leer aus – bis am vergangenen Sonntag. «Es ist unbeschreiblich. Endlich hat es geklappt», sagt er mit Tränen in den Augen. Am Berner Kantonalen sicherte sich der Projektleiter im Bereich Maschinenbau seinen ersten Teilverbandskranz. Das ganze Team freut sich mit ihm. Roland Gehrig, technischer Leiter der Berner, umarmt seinen Schützling.
Hinter Roth liegen schwierige Wochen und Monate. Der Saisonstart misslang. Am Mittelländischen und am Seeländischen verpasste er den Kranz. Das lag auch an seinem Job. Der Projektleiter war zu Beginn der Saison für zwei Wochen in Norwegen. Dort hat er eine neue Maschine in Betrieb genommen und die Arbeiter geschult. Jetzt hat er den Kopf frei fürs Schwingen. Vor dem Berner Kantonalen gewann er den Kranz am Oberaargauischen und am Emmentalischen. Für die jüngsten Erfolge ist auch ein König mitverantwortlich.
«Am Schwarzsee hat mir Stucki ins Gewissen geredet. Das braucht es manchmal.» Sollte er seine Leistungen nicht bringen, drohte der König mit Konsequenzen. Welche das waren, will Roth nicht verraten. «Zum Glück hat sich das jetzt sowieso erledigt», meint er schmunzelnd.
Der Kranz-Hamsterer
Michael Moser feierte beim Emmentalischen den ersten Kranzfestsieg seiner Karriere – mit gerade einmal 19 Jahren. Aber nicht nur deswegen zeigt der Berner Jungspund eine überragende Saison. Denn er gehört zu den erfolgreichsten Kranz-Sammlern. In dieser Saison hat er schon neun gewonnen und damit so viele wie in den Jahren 2022 und 2023 zusammen.
Schaut man sich an, wie oft die anderen diesjährigen Kranzfestsieger mit Eichenlaub auf dem Kopf das Festgelände verliessen, zeigt sich: Moser lässt einige Namen hinter sich. So etwa König Joel Wicki, Unspunnen-Sieger Samuel Giger oder Fabian Staudenmann und Armon Orlik.
Allerdings muss man berücksichtigen, dass etwa Giger und Wicki längere Verletzungspausen hatten, oder Joel Strebel seine Saison wegen eines Kreuzbandrisses früh beenden musste. Schmälern tut dies Mosers beeindruckende Leistung aber nicht. Daneben gibts auch Kranz-Hamsterer, die ohne Saisonsieg sind. Matthias Aeschbacher etwa hat neun und Lario Kramer acht Kränze gewonnen.
Aeschbacher für 10 Sekunden ein Giger-Fan
Die Ausgangslage vor dem Schlussgang des Berner Kantonalen war klar: Gewinnt Fabian Staudenmann oder Samuel Giger, sind sie Festsieger. Bei einem Gestellten dürfte Matthias Aeschbacher jubeln. «Ich unterstütze natürlich Fäbu», erklärt Aeschbacher gegenüber Blick. Die Berner halten zusammen – bis kurz vor Schluss. «In den letzten zehn Sekunden war ich für Sämi.» Hätte Giger am Boden noch etwas länger durchgehalten, wäre Aeschbacher zum Festsieger ausgerufen worden.
Der Wucht von Staudenmann konnte der Thurgauer letztlich nichts mehr entgegensetzen. «Dem verpassten Festsieg weine ich keine Träne nach. Mit Platz zwei kann ich zufrieden sein. Fäbu hat es mehr als verdient.» Für Aeschbacher ging damit eine eindrückliche Siegesserie zu Ende. Seit 2016 gewann er jedes Jahr ein Kranzfest. In dieser Saison klassierte er sich zweimal auf Rang zwei. Damit bleibt der gelernte Maurer bei insgesamt 15 Kranzfestsiegen stehen. Seine erfolgreichsten Jahre waren 2018, 2019 und 2021 – da gewann Aeschbacher je drei Feste.
Orlik lobt Berner Publikum
Das Berner Kantonale hat sich Armon Orlik in seiner Saisonplanung dick angestrichen. Entsprechend fokussiert und engagiert tritt der Bündner in Burgdorf BE auf. In jedem Gang bearbeitet er seinen Gegner von der ersten bis zur letzten Sekunde. Sein Problem: Viele Gegner wollten gar nicht mit ihm schwingen. Im ersten Kampf konzentriert sich Thomas Sempach nur auf die Verteidigung. «Wenn vom Gegner gar nichts kommt, wird es sehr schwierig», erklärt Orlik.
Mit Lukas Renfer und Jan Wittwer erhält er zwei weitere Gegner, die für ihre starke Verteidigung bekannt sind. Beide stellten in dieser Saison bereits gegen König Joel Wicki. «Das Ziel der Einteilung war klar. Sie wollten mich ausbremsen», stellt Orlik nüchtern fest. Das gelang ihnen nur bedingt. Renfer sowie Wittwer legte der Ostschweizer auf den Rücken. Der Gestellte gegen Gnägi nahm ihn letztlich aus dem Schlussgang-Rennen.
Im letzten Gang bodigte er den Berner Shooting-Star Michael Moser. «Ich konnte immer Vollgas geben. Das stimmt mich positiv und zeigt, dass ich topfit bin». Ein besonderes Lob richtete er an das Berner Publikum. Dieses hatte in letzter Zeit immer wieder für negative Kommentare gesorgt. Vor gut einer Woche beschwerte sich Domenic Schneider, dass die Berner seinen gestellten Gang gegen Fabian Aebersold zu sehr feierten.
«Ich fand sie heute sehr fair. Sie haben nach meinem Gestellten gegen Gnägi nicht mega laut geklatscht.» Wenn Orlik gewann, applaudierten die rund 12'000 Zuschauer anerkennend. Richtig laut wurde es, als Staudenmann im Schlussgang Giger bezwang. «Das war echt krass.» Bereits am kommenden Sonntag könnte es auf der Schwägalp zur Revanche kommen.