Zumindest hinter vorgehaltener Hand wurde bereits der Abgesang auf Armon Orlik angestimmt. «Armon wird nie mehr zu seiner einstigen Stärke zurückfinden, weil er sich aufgrund seines Gisler-Traumas nicht mehr ans Limit traut», murmelte vorletzten Sonntag anlässlich vom St. Galler Kantonalen ein NOS-Vertreter. Mit dem «Gisler-Trauma» meint der Mann Orliks Zweikampf gegen Bruno Gisler 2017 am Aargauer Kantonalen. Damals hat der Bündner nach einem Hüfter vom Solothurner Gisler während rund zwanzig Sekunden vom Hals abwärts kein Gefühl mehr. «Ich hatte panische Angst vor einer Querschnittslähmung», gibt Orlik ein paar Tage später zu Protokoll.
Orliks beeindruckendes Notenblatt
Obwohl in seinem Körper keine Schäden zurückblieben und die kurzfristigen Lähmungserscheinungen laut den Medizinern das Ergebnis eines «schockierten» Nervs gewesen sind, büsst Orlik nach diesem Zwischenfall an Dominanz ein. Die letzte Saison beendet der Bauingenieur-Student ohne Sieg. Doch seine jüngste Darbietung am Bündner-Glarner nährt die Hoffnung seiner Fans, dass der 27-Jährige das «Gisler-Trauma» mit Hilfe seines Mentaltrainers besiegt hat. Im Anschwingen bodigt Orlik Kirchberg-Sieger Damian Ott. Danach meistert er das Berner Top-Talent Adrian Walther. Und im Schlussgang macht der 1,90 Meter lange, 115 Kilo schwere Muskelberg im ersten Zug den St.-Galler-Sieger Werner Schlegel platt und feiert damit seinen ersten Festsieg seit Juni 2019.
«Letzten Montag hätte ich fast den Rücktritt erklärt»
Grund zum Feiern hat auch Nöldi Forrer. Der bald 44-Jährige legt mit dem Plattwurf gegen den Glarner Eidgenossen Roger Rychen den Grundstein für seinen 148 Kranzgewinn. Der König von 2001 ist damit der erste Schwinger, welcher mit einem künstlichen Hüftgelenk Eichenlaub holt. «Dabei hätte ich letzten Montag fast meinen Rücktritt erklärt, nachdem ich am St. Galler meinen ersten Kranz seit drei Jahren um einen Viertelpunkt verpasst habe», erzählt der Toggenburger. Ernsthaft über den Rücktritt nachgedacht hat auch der Schwyzer Reto Nötzli (32), der im vorletzten Jahr einen schweren Schicksalsschlag verkraften musste. Sein Papa Bruno ist mit nur 61 an den Folgen von Corona gestorben. Nun hat die leidgeprüfte Familie Nötzli aber endlich wieder einmal Grund zum Lachen: Reto vergräbt in Netstal im sechsten Gang den Winterthurer Eidgenossen Samir Leuppi und sichert sich damit den zweiten Rang.