Es ist die wohl umstrittenste Aktion im laufenden Sportjahr: Weil der Emmentaler Christian Gerber (32) neben seinen muskulösen Oberarmen auch ein richtig grosses Herz hat, stellt er im Schlussgang des Seeländischen seine Ambitionen auf den ersten Kranzfestsieg in den Hintergrund und überlässt den Festsieg dem abtretenden König Christian Stucki (38).
30 Sekunden vor Schluss lässt er einen Kurz-Angriff vom Seeländer widerstandslos über sich ergehen und gesteht den Reportern anschliessend in breitem Berndeutsch, er habe zu Stucki gesagt: «So, hü, jetzt nimm mi!»
Gerber erntet Lob und Kritik
Von vielen Schwingfreunden wird der gelernte Metzger deshalb gefeiert. Der Emmentaler muss aber auch viel Kritik in Kauf nehmen. «Wenn Chrigu öffentlich zugibt, dass er sich absichtlich hat auf den Rücken ziehen lassen, wirft das ein schlechtes Licht aufs Schwingen. Und somit hat auch Stuckis Abschied einen faden Beigeschmack», ärgert sich Schwingerkönig Nöldi Forrer (44). Andere kanzeln Gerber als «Wett-Betrüger» ab, was so sicher nicht stimmt. Es gibt kein Wettportal, das das Seeländische im Angebot hatte.
Mit dem Geschenk an Stucki dürfte Gerber aber Adrian Walther und Matthieu Burger um ein paar Geldscheine gebracht haben. Die beiden hätten im Fall eines unentschiedenen Schlussgangs den Festsieg geerbt. Und es gibt immer mehr Schwinger, die in ihren Sponsorenverträgen Prämien für Kranzfestsiege ausgehandelt haben.
Die Reaktion vom ESV-Boss
Und im Reglement des Eidgenössischen Schwingerverbands steht schwarz auf weiss: «Verabredete Gänge und unwürdiges Verhalten müssen bestraft werden. Die Platzkampfrichter melden dieses Verhalten dem Einteilungsgericht, welches abschliessend über die Massnahmen entscheidet. Fehlbare Schwinger können vom weiteren Wettkampf ausgeschlossen und von der Rangliste gestrichen werden.» Wird nachträglich auch Christian Gerber bestraft?
Stefan Strebel winkt in seiner Funktion als Technischer Leiter des ESV ab: «Weil Gerber seine absichtliche Niederlage erst nach dem Wettkampf gestanden hat und der Kampfrichter kein Fehlverhalten gemeldet hat, haben wir nachträglich auch keine Handhabe, Gerber zu bestrafen.» Es könnte aber sein, dass nach dem Fall Gerber das ESV-Reglement so überarbeitet wird, dass in Zukunft nicht nur die Meldung eines Kampfrichters zu einer Sperre eines Athleten führen kann.