Revolutionäres Mega-Projekt «Olympia Park»
So will die Schweiz die nächsten Superstars finden

Swiss Olympic hat die Vision eines riesigen Kompetenz-Netzwerks über das ganze Land. Die Kambundjis und Odermatts der Zukunft sollen für maximalen Erfolg von einem revolutionären Schweizer Weg profitieren.
Publiziert: 12.04.2023 um 16:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2023 um 16:38 Uhr
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Norwegen ist dank effizienter Arbeit verblüffend erfolgreich: Johannes Hösflot Kläbo dominiert beispielsweise im Langlauf.
Foto: AFP
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Marco PescioReporter Sport

Norwegen macht es vor. Mit 5,4 Millionen Einwohnern ist das skandinavische Land bevölkerungstechnisch rund ein Drittel kleiner als die Schweiz – doch es übertrumpft in sportlicher Hinsicht regelmässig grössere Nationen. 2018 stellten die Norweger in Pyeongchang mit 39 Medaillen einen Olympia-Rekord auf. 2022 schafften sie mit 16-mal Gold eine Marke, die zuvor noch nie eine Nation an Winterspielen erreicht hatte.

Das Erfolgsgeheimnis steht an der nördlichen Stadtgrenze Oslos. Sein Name: Olympiatoppen. Ein Sport-Leistungszentrum, in dem alle Fäden zusammenlaufen – und in dem Topathleten wie Tennis-Shootingstar Casper Ruud, Ski-Erfolgsfahrer Aleksander Kilde und die im Langlauf dominierenden Tiril Udnes Weng und Johannes Hösflot Kläbo eine Anlaufstelle finden.

Norwegen ist nur ein Beispiel für fortschrittliche, effiziente Arbeit im Bereich der Sportförderung – aber ein gutes. Das zeigen nicht allein die Resultate, sondern auch bewährte Systeme. Eine einheitliche Datenbank fürs Athletenmonitoring etwa, die Ärzten und Betreuern den Alltag erleichtert und die Profis vor einer Überlastung warnt. In Norwegen wurde früh erkannt, dass schon jetzt – und in der Zukunft noch krass mehr – in Sachen Digitalisierung, Technologie und Nachhaltigkeit viel auf die einzelnen Sportverbände zukommt.

Schweiz wählt helvetischen Weg

Auch die Schweiz ist im Begriff, sich zu rüsten. Seit Sommer 2022 wird bei Swiss Olympic im Hintergrund an einem Mega-Projekt getüftelt. Es läuft unter dem Arbeitstitel «Schweizer Olympia Park» – und soll seinen eigenen helvetischen Weg gehen. Die Vision geht über das Nationale Sportzentrum Magglingen hinaus. Dabei handelt es sich «nicht um ein Infrastrukturprojekt», sondern um eine Zusammenführung und Weiterentwicklung von bestehendem Wissen im Land, wie es vonseiten des Schweizer Dachverbands heisst.

Teil des Olympia-Parks könnten neben Magglingen beispielsweise das Jugendsportzentrum Tenero oder das Swiss Olympic Medical Center in Bad Ragaz sein. Es sollen aber auch andere Institutionen an Bord geholt werden. So strebt Swiss Olympic etwa eine Zusammenarbeit mit Hochschulen an. Und Wissenschaftler sowie Wirtschaftler und Unternehmen werden im Rahmen des Projekts ebenso miteinbezogen wie Experten der Bereiche Innovation, Technologie und Nachhaltigkeit.

«Nutzen den Schweizer Spielplatz viel zu wenig»

Die Idee eines Höhenleistungszentrums steht im Raum. Anbieten würde sich auch eine Kooperation mit der Lausanner Universität EPFL, die in der Materialentwicklung stark ist. «In der Schweiz besteht schon so viel Know-how. «Im Grunde genommen leben wir auf einem Spielplatz, den wir auf den Sport umgemünzt noch viel zu wenig nutzen», sagt Ralph Stöckli (46). Der frühere Spitzencurler ist bei Swiss Olympic Projektleiter des Vorhabens. Was er und sein Arbeitgeber sich vorstellen, ist ein Hochleistungsumfeld mit Perspektive 2040.

Nun hat der Steuerungsschuss festgelegt, in welchen Themenfeldern Pilotprojekte lanciert werden: «Holistische Leistungsentwicklung – Body, Mind & Material», «Nachhaltige Potenzial- und Lebensentwicklung», «Nachhaltige Sportentwicklung» und «New Business» nennen sie sich. Eine Reihe von Pilot- und Vertiefungsprojekten sollen folgen – ehe im Januar 2024 über die definitive Umsetzung entschieden werden soll.

Alle sollen profitieren

Swiss Olympic will mit dem Olympia-Park neue Massstäbe setzen. Stöckli betont, das geplante Synergien-Netzwerk solle nicht nur für die Sportler einen Mehrwert haben, sondern auch für den Standort Schweiz und somit auch für die Gesellschaft: «Wenn es uns gelingt, solche Kompetenz-Cluster aufzubauen, gehen wir davon aus, dass neue Projekte und Produkte entstehen, bis hin zu neuen Arbeitsplätzen.»

Stöckli, der im Rahmen der Recherche auch dem norwegischen Modell Olympiatoppen und Leistungszentren in anderen Ländern einen Besuch abstattete, sagt: «Der Schweizer Spitzensport muss sich in Zukunft neu erfinden.» Dem pflichtet auch Hippolyt Kempf (57), Verantwortlicher Innovation an der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen, bei. Der Olympiasieger in der Nordischen Kombination (1988 in Calgary) beschäftigt sich intensiv mit der Zukunft des Sports und doziert regelmässig zum Thema. Er sagt: «Die Digitalisierung kommt eigentlich erst an im Schweizer Sport. Aber sie wird durchschlagend sein. Und auch in puncto Nachhaltigkeit muss er sich rechtfertigen können.»

Im Klartext: Es kommt viel Arbeit auf Stöckli und Co. zu. Künftige Schweizer Sport-Aushängeschilder à la Mujinga Kambundji (30) oder Marco Odermatt (25) sollen lieber früher als später davon profitieren können, um auch weiterhin auf einem erfolgreichen Weg zu bleiben. Die jüngste Olympia-Ausgabe in Peking schloss die Schweizer Delegation mit 7-mal Gold und total 15 Medaillen ab – so gut wie nie zuvor bei Winterspielen.

Kommt schon bald eine Gesundheitsakte?

Um die Rahmenbedingungen für die Exponenten zu verbessern, könnte eine weitere Zukunftsvision, die später ebenfalls Teil des Projekts sein dürfte, schon früher Tatsache werden. Nachgedacht wird bei Swiss Olympic über eine elektronische Gesundheitsakte für die Sportler. Ähnlich wie in Norwegen, aber wieder eine Schweizer Variante.

Die Daten würden so von einer übergeordneten Instanz koordiniert, nicht mehr von jedem einzelnen Sportverband. Praktisch: Auf Reisen wäre jeder behandelnde (Not-)Arzt, jeder Physiotherapeut direkt mit der gesundheitlichen Geschichte des Athleten vertraut. Die Hürde: der Datenschutz.

Auch hier wird darum zunächst einmal das Feedback der Betroffenen eingeholt. Doch bei der Gesundheitsakte verhält es sich wie beim Schweizer Olympia-Park: Um für die Zukunft gewappnet zu sein, bedarf es moderner, teilweise revolutionärer Ideen. Die Schwierigkeit liegt in der Umsetzung.

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