Louis Pfenninger (Sieger 1968 und 1972): «Man drückte mir ein Kilo Gold in die Hand»
Er ist der älteste noch lebende Sieger der Tour de Suisse. Aber eine Rad-Legende? Nein, das ist Louis Pfenninger (79) trotz seiner zwei Tour-Siege nicht. «Egal», sagt er dazu. «Pfänni» wohnt seit Jahren mit Ehefrau Liliane an der spanischen Costa Blanca. «Nun ziehen wir wohl bald in ein Heim, denn es geht körperlich nicht mehr so gut», sagt er am Telefon.
Die Erinnerungen an seinen Sieg 1968 sind aber noch frisch. «Ich hatte damals Riesendusel, denn Robert Hagmann war eigentlich stärker», so Pfenninger. Bei der Ankunft in Zürich staunt er auf dem Podest nicht schlecht. «Man drückte mir ein Kilo Gold in die Hand.» Behalten durfte er den Barren aber nicht – die Bosse seines Teams verkauften ihn und verteilten das Geld an das Team. «Die meisten Fahrer hatten mir gar nicht geholfen – sie waren zu schwach. Aber die hohle Hand machten sie trotzdem», so Pfenninger schmunzelnd.
Beat Breu (Sieger 1981 und 1989): «De Godi isch en Sauhund!»
Es sind die vielleicht bekanntesten Sätze der Schweizer Rad-Geschichte: «Für mich isch de Schmutz gstorbe!» Und: «De Godi isch en Sauhund!» Geäussert von Beat Breu (66) im Sommer 1981, nachdem er von Teamkollege Gottfried Schmutz hinauf nach Crans-Montana VS (Ziel in Brig) verraten worden war. «Das ist lange her, ich habe es gut mit Godi», sagt Breu. Er führt heute mit Frau Heidi das Bistro des Bündner Zirkus Maramber, mit dem sie auf Tournee sind.
Zurück zur Tour 1981. «Zum Glück konnte ich Godi damals das Leadertrikot beim Zeitfahren zum Monte Brè abnehmen», erinnert sich Breu. Legendär das Gespräch von Reporter-Legende Hans Jucker mit Breu nach der Etappe: «Sie haben nur sechs Sekunden Vorsprung, das wissen Sie?» Breus Antwort: «Ja, aber das langet.» Grosses Gelächter.
Rückblickend meint der Bergfloh: «Lustig war es damals nicht, die Rad-Schweiz war in zwei Fan-Lager gespalten und ich hatte Angst, dass mich irgendein Wahnsinniger angreifen und mich zu Fall bringen würde.» Das geschieht nicht, Breu gewinnt die Tour, Schmutz wird Vierter. Übrigens: Breu hat laut eigener Aussage seit 15 Jahren nie mehr auf einem Velo gesessen.
Urs Zimmermann (Sieger 1984): «Mein Leben veränderte sich innerhalb von einer Woche»
Ein grosser Name ist der gebürtige Solothurner Urs Zimmermann (64) nicht, als er in Urdorf ZH zu den neun Tour-Etappen startet. Genau das ist aber sein Trumpf. «Die Gegner haben mich unterschätzt, ich bekam Auslauf. Zu viel Auslauf aus ihrer Sicht», erzählt er. In der siebten Etappe erobert er das Leadertrikot von Cilo-Aufina-Teamkollege Beat Breu. Ein Problem? «Bei anderen wäre es eins gewesen, aber nicht mit Beat. Er hat sich sehr loyal verhalten, obwohl er viel berühmter war als ich. Das habe ich ihm stets hoch angerechnet.»
Letztlich kann sich Zimmermann auf der Rennbahn in Oerlikon feiern lassen. «Mein Leben veränderte sich innerhalb von einer Woche. Ich hatte den Karriere-Express genommen.» 1986 wird Zimmermann Dritter in der Tour de France. «Das war nochmals eine andere Hausnummer», sagt er.
Und heute? Da steht «Zimmi» kurz vor der Pensionierung. Gut möglich, dass er die 15’000 Kilometer, die er pro Jahr noch immer abspult, steigern wird. «Ich habe nach wie vor riesigen Plausch am Velofahren.»
Pascal Richard (Sieger 1994): «Es gab einen tiefen Röstigraben»
Sechs Sätze – so kurz ist die deutsche Beschreibung von Pascal Richards Karriere auf Wikipedia. Wer auf die französische Version wechselt, ist besser bedient, da ist es immerhin das Dreifache. «Es gab einen tiefen Röstigraben im Schweizer Radsport. Für viele war ich der Welsche. Oder sogar ein Franzose. Aber die Deutschschweizer haben mich immer geschätzt und ich war stolz, die Schweiz zu vertreten», sagt der 60-Jährige.
Genauso war es auch bei der Tour de Suisse vor 30 Jahren. «Mein Teamkollege Marco Saligari, ein Italiener, hatte die Tour de Suisse 1993 gewonnen. Dennoch sagte unser sportlicher Leiter: ‹Ich will, dass Pascal gewinnt!› Damit machte er mir fürchterlichen Druck.» Wen Richard meint: Patrick Lefevere (69, Be), heute als Quick-Step-Boss mindestens so genial und umstritten wie damals.
Fakt ist: In Richards Fall bewies ein goldenes Händchen, denn der Romand war in den Bergen brillant und in den Zeitfahren solide. Zwei Jahre nach seinem TdS-Sieg ging er definitiv in die Schweizer Geschichtsbücher ein – er gewann in Atlanta Olympia-Gold im Strassenrennen – als erster und bislang einziger Radgenosse.
Oscar Camenzind (Sieger 2000): «Ich litt Höllenqualen»
Jan Ullrich (De) hat seit seinem Tour-de-France-Sieg 1997 in Deutschland Legenden-Status. Bevor er sich im Sommer 2000 auf Frankreichs Strassen in den Grosskampf mit US-Star Lance Armstrong (USA) stürzt, will er die Tour de Suisse gewinnen. Und es sieht gut aus, drei Etappen vor Schluss führt «Ulle».
Alles klar also? Nein! Der Gersauer Oscar Camenzind (52) hat nur 16 Sekunden Rückstand. «Allerdings litt ich in der Tessiner Etappe von Locarno nach Lugano Höllenqualen. Es waren 35 Grad. Ich liess mir nichts anmerken und blieb dran, mental war ich aber am Ende», blickt der Weltmeister von 1998 zurück.
«Mein sportlicher Leiter, Pietro Algeri, hat mich dann im Hotelzimmer aufgepäppelt, mir Mut zugesprochen. Und tatsächlich, tags darauf haben wir am Albula alles auf eine Karte gesetzt. Ullrich konnte nicht mehr und verlor die Tour. Ich dagegen erfüllte mir meinen grossen Traum. Es war eine Achterbahnfahrt von der Hölle in den Himmel.» Seit vielen Jahren arbeitet Camenzind in seiner Heimat als Pöstler.
Alex Zülle (Sieger 2002): «Ich bekam einen Bierhumpen»
Längst nicht alle glauben vor der Tour de Suisse 2002 noch, dass Alex Zülle (55) tatsächlich noch die Tour de Suisse holen kann. «Ich wollte die Rundfahrt ums Verrecken gewinnen, war aber schon in einem hohen Alter», so der Ostschweizer. Genau: Er war fast 34 Jahre alt.
Am Abend vor der letzten Etappe, einem Zeitfahren über 34,5 Kilometer, ist Zülle in Führung. Als Spezialist im Kampf gegen die Uhr, muss er den Sieg nur noch ins Trockene bringen. «Aber auf einmal bekam ich Panik. Was, wenn ich Defekt erleide? Oder stürze? Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf.»
Es passiert nicht, Zülle triumphiert auf der Arteplage Biel, wo die Expo 02 über die Bühne geht. «Ich hatte meinen Traum erfüllt. Der Bierhumpen, den ich als Pokal gewann, ist daheim in einem dunklen Kasten. Wenn ich Leute einlade, müssen sie nicht wissen, dass ich Rad-Profi war.» Zülle leitet seit längerem in Frauenfeld TG ein Fitness-Center.
Fabian Cancellara (Sieger 2009): «Andere wären zerbrochen»
«Er wird allen um die Ohren fahren», prognostiziert Gregory Rast am Vorabend des 21. Juni 2009. Der damalige Blick-Kolumnist wird Recht behalten, Cancellara donnert wie ein Schnellzug über die 38,5 Zeitfahr-Kilometer rund um Bern. «Ich kannte jeden Millimeter der Strecke auswendig und wusste, dass ich noch von Platz 2 auf 1 fahren konnte», blickt er zurück.
Gesagt, getan. Cancellara macht seinen Rückstand im Gesamtklassement (4 Sekunden) locker wett, er nimmt Tour-Leader Tadej Valjavec (Slo) fast vier Minuten ab. «Alle haben das von mir erwartet. Einige wären am Druck zerbrochen, mir gab es Kraft.»
Tatsächlich feiert Cancellara, der erstaunlich gut über die (wenigen) Berge kommt, an jenem Tag seinen grössten Sieg bei einer Rundfahrt. «Der Start beim Wankdorf, ein Fahnenmeer. Dann der Aargauerstalden, Tausende Menschen. Ich habe weder vorher noch danach so viele Fans bei der Tour de Suisse gesehen.» Heute ist der Familienvater Boss des Teams Tudor Pro Cycling.