Nicht schon wieder! Das war der erste Gedanke, als Tour-de-Suisse-Direktor Olivier Senn am Samstag vom Tod des norwegischen Radrennfahrers André Drege erfahren hatte. Der 25-Jährige war während der vierten Etappe der Tour of Austria bei der Abfahrt vom Grossglockner hinab nach Heiligenblut in Kärnten tödlich verunglückt. Sofort wurden Erinnerungen wach an den Schweizer Gino Mäder, der an der Tour de Suisse 2023 ebenfalls während einer Abfahrt ums Leben kam.
«Als ich von Dreges Tod hörte, kam vieles wieder hoch, zumal die Begleitumstände auf den ersten Blick ähnlich wie bei Gino waren. Solche Tragödien gehen mir unglaublich nah», erklärt Senn gegenüber Blick.
Ganz vergleichbar sind die Fälle aber nicht. Bei der Etappe, in der Mäder verstarb, ging es vom Albulapass direkt runter ins Ziel nach La Punt. Bei Drege ging es zwar nach dem Grossglockner ebenfalls rasant abwärts, doch bis ins Ziel waren es danach noch über 70 Kilometer.
Trotzdem stellt sich unweigerlich die Frage: Sind solche Etappen, in denen sich das Ziel nicht auf dem Berg, sondern im Tal befindet, zu gefährlich? «Nein», entgegnet Senn, «die Gefahr besteht in erster Linie nicht darin, wo genau sich das Ziel befindet, sondern bei den Abfahrten selbst. Diese beinhalten immer ein Restrisiko. Eine kleine Unachtsamkeit oder ein technisches Problem kann bei solch hohen Tempi fatale Folgen haben. Doch Abfahrten gehören zum Radsport dazu, sie sind ein Teil davon. Schlussendlich müssen die Fahrer selbst entscheiden, wie viel Risiko sie nehmen, wie schnell sie fahren und wo sie wie fest bremsen.»
«Dann darf man keine Radrennen mehr durchführen»
Ähnlich äussert sich auch Sven Montgomery, ehemaliger Radrennfahrer und heutiger SRF-Rad-Experte. «Es mag hart klingen, aber wir müssen leider mit solchen Unfällen leben. Wer Radrennfahrer ist, muss sich dieses Risikos bewusst sein. Will man tödliche Unfälle gänzlich ausschliessen, darf man keine Radrennen mehr durchführen.»
Deshalb findet Montgomery auch, dass eine Etappe wie die letzte Woche an der Tour de France, als es nach dem Col du Galibier noch per rasanter Abfahrt runter ins Ziel nach Valloire ging, zulässig ist. «Die Vergangenheit hat gezeigt, dass tödliche Unfälle überall passieren können, nicht nur in Abfahrten.»
War er sich während seiner Aktivzeit dieser Gefahren stets bewusst? «Ja, was aber nicht nur Vorteile hatte, da ich dadurch gehemmter runtergefahren bin. Ich bin davon überzeugt, dass das sogar gefährlich sein kann. Je lockerer man ist, desto sicherer kann man die Abfahrten meistern.»
«Es hat mich kräftig durchgeschüttelt»
Warum es am Samstag zum tödlichen Unfall von Drege kam, ist noch nicht bekannt. Nils Aebersold, der Sohn von Ex-Radrennprofi Niki, war an der Tour of Austria am Start. «Uns hat man gesagt, dass André bei der Abfahrt wohl einen Platten am Vorderrad gehabt hätte und er deshalb gestürzt sei», so der 21-Jährige zu Blick.
Er habe während des Rennens davon aber gar nichts mitgekriegt. «Nach der Etappe sassen wir im Auto auf dem Weg ins Hotel, als wir vom tödlichen Unfall erfuhren. Das war natürlich ein riesengrosser Schock, und es hat mich kräftig durchgeschüttelt.»
Auch die Kondolenzfahrt am Sonntag sei sehr emotional gewesen, so Aebersold. «Es war unterwegs sehr ruhig. Kaum jemand hat geredet. Wir haben einfach versucht, Andrés Teamkollegen Trost zu spenden. Und natürlich habe ich mir ein paar Mal überlegt, wie wenig es braucht, damit etwas ganz Schlimmes passieren kann.»
Ebenfalls bei der Tour of Austria am Start war der 27-jährige Zürcher Lukas Rüegg. Er sagt: «Dort, wo der Unfall passiert ist, waren wir mit etwa 90 km/h unterwegs. Wenn du dann stürzt, hilft dir ein Helm bedauerlicherweise nicht mehr viel. Dann brauchst du schon sehr viel Glück, dass du das überlebst.»
Glück, das André Drege am Samstag leider nicht hatte.