Rund drei Wochen sind seit dem tragischen Unfalltod von Gino Mäder (†26) an der Tour de Suisse vergangen. Olivier Senn, Direktor der Schweiz-Rundfahrt, sprach im Interview mit der «Aargauer Zeitung» über die emotionale und hektische Zeit nach der Tragödie.
Als Direktor der Tour de Suisse wurde Senn in den Tagen danach zur Zielscheibe von Beleidigungen. «Solche, die mich auf Social Media als ‹Mörder› oder ‹Sauhund› bezeichneten.» Er könne diese Aussagen jedoch «relativ gut wegstecken», da es sich um Personen handle, die den Sachverhalt nicht genau kennen würden. «Wenn legitime Kritik käme, würde mich das aber natürlich schon beschäftigen.»
Sicherheit auch Verantwortung des Fahrers
Senn würde rückblickend nichts anders machen. «Logisch hätte man die Kurve sichern können. Aber dann hätte man vorher hundert andere auch noch sichern müssen», kommentiert er Kritik an der Streckenführung. Als Veranstalter versuche man, punkto Sicherheit das Maximum herauszuholen. «Aber letztlich liegt die Verantwortung nicht nur beim Organisator, denn der Athlet hat die Bremsen in der Hand und muss entscheiden, wann und wie er sie benutzt oder eben nicht.»
Dass nach Unfällen wie diesen Veränderungen gefordert werden, kann Senn verstehen. «Ich bin aber gegen irgendwelche plakativen Massnahmen, die ergriffen werden, nur damit etwas gemacht wird. Wenn wir einen Ansatz für eine realisierbare Verbesserung finden, werden wir uns selbstverständlich ernsthaft damit auseinandersetzen.»
Nach Mäders Unfall am Donnerstag habe Senn versucht, positiv zu denken: «Solange es Hoffnung gibt, gibt es Hoffnung.» Am Freitagmorgen aber schwindet sie. «Der Vater von Gino Mäder hat mich dann angerufen und gesagt, dass es schlecht aussehe.» Kurz bevor man den schlimmsten Fall besprechen wollte, wurde das Kernteam der Organisatoren informiert.
In diesem Moment sei ihm nicht viel durch den Kopf gegangen. «Ich wollte es erst einmal einfach nicht wahrhaben und spürte vor allem eine grosse Leere.» Danach habe sich sein Team 20 Minuten lang hinter einem Lastwagen versteckt. Man musste abwarten, bis Mäders Team Bahrain die Nachricht kommunizierte, wollte «in der Zwischenzeit aber niemanden anlügen». Es flossen erste Tränen. «Gleichzeitig mussten wir uns Gedanken machen: was jetzt?»
Positives Feedback überwiegt
Für das weitere Vorgehen sprach man sich, so gut es ging, mit den involvierten Parteien ab. Besonders mit Gino Mäders Familie. «Wenn Kritik von dieser Seite gekommen wäre, wäre das emotional natürlich schwer verkraftbar gewesen.»
Letztlich haben Senn und sein Team viel positives Feedback bekommen. «Die Art und Weise, wie wir diese Krise bewältigt haben, kam gut an. So ein Lob ist in so einer schwierigen Situation schon schön.» (dti)