Die Narben an der Stirn, an der Wange und an der Hand sind bei Stefan Küng (29) noch gut zu sehen. Vor sieben Wochen stürzte er beim EM-Zeitfahren in Emmen (Ho) schwer. Mit Frakturen an Hand, am Jochbein und einer Gehirnerschütterung fuhr er blutüberströmt über die Ziellinie. «Ich erinnere mich nur noch in Fetzen an das, was danach passierte», sagt er heute. Das Wichtigste: Es gehe ihm gut, nach Ferien mit der Familie habe er das Training auf dem Velo wieder aufgenommen.
Aber warum stoppte damals niemand Küng? «Wenn, dann hätten es die Rennkommissäre tun müssen», sagt der Thurgauer. Tatsächlich ist klar definiert, dass ein Athlet mit defektem Helm (er war kaputt) nicht weiterfahren darf. Zudem hätte man anhand der Bilder vermuten können, dass Küng mehr als nur eine Schnittwunde im Gesicht hatte. «Für mich und das Team ging es darum, wieder möglichst schnell auf das Rad zu steigen. Da funktioniert man einfach und überlegt nicht, was sein könnte», so Küng.
«Müssen daraus lernen»
Thomas Peter, Geschäftsführer von Swiss Cycling, war damals nicht vor Ort. «Rückblickend betrachtet, hätten die Trainer, die hinter Stefan Küng im Auto sassen, ihn aus dem Rennen nehmen sollen», sagt er. Einer von ihnen war Nati-Coach Edi Telser. Peter wirft ihm aber – so wie Küng – nichts vor. Im Gegenteil. Er nimmt den eigenen Verband in die Pflicht: «Wir müssen schauen, dass nicht nur die Athleten, sondern auch die Betreuer an einem solchen Event möglichst frisch sind. Das war nicht der Fall, die Saison war sehr lange. Vielleicht reagiert man anders, wenn man ausgeruht ist.»
Für Peter ist klar: «Wir müssen daraus lernen. Das darf uns künftig nicht mehr passieren.» Man habe alle sensibilisiert. «Wenn der Helm kaputt ist, muss der Fahrer anhalten. Punkt. Da gibt es keinen Spielraum.»
Funkspruch ins Leere
Bleibt die Frage: Warum fuhr Küng überhaupt in die Gitter am Strassenrand? Er sagt, dass er den Funkspruch, dass eine Kurve folge, wohl nicht richtig interpretiert habe. Sprich: Küng blickte weiterhin nach unten und folgte der weissen Strassenlinie – mit verheerenden Folgen. «Vielleicht sollte die UCI solche Stellen künftig besser markieren, mit Pfeilen zum Beispiel. Aber auch wir werden unsere Lehren daraus ziehen.»