Wer trägt Schuld am tödlichen Unfall Gino Mäders (†26)? Niemand. Oder besser gesagt: Nur er selbst. Zu diesem Ergebnis kommt die Staatsanwaltschaft Graubünden – sie stellt die Strafuntersuchung fünf Monate nach dem tödlichen Unfall am Albulapass ein.
«Für uns als Familie ist das nur ein Blatt Papier. Es ist so, wie ich es immer gesagt hatte: Gino hat einen Fehler gemacht, er allein ist dafür verantwortlich – das tönt vielleicht hart, ist aber einfacher zu akzeptieren, als wenn andere Personen involviert gewesen wären», sagt Gino Mäders Vater Andreas.
Schon Ginos Mutter Sandra hatte früher gesagt: «Egal, was bei der Untersuchung herauskommt – es wird Gino nicht zurückbringen.»
Kein Crash mit Sheffield
Die Staatsanwaltschaft erklärt in ihrem Schreiben: «Gestützt auf das Untersuchungsergebnis, insbesondere die durchgeführten Befragungen, die Überprüfung des von Gino Mäder gefahrenen Fahrrades sowie das Ergebnis der Untersuchung der Leiche durch das Institut für Rechtsmedizin des Kantonsspitals Graubünden, konnte keiner Drittperson ein strafrechtlich relevantes Verschulden am Tod von Gino Mäder angelastet werden.»
Die einstige Vermutung, dass US-Fahrer Magnus Sheffield (21) am Unfall beteiligt gewesen sei, ist ebenfalls vom Tisch. Zwar stürzte Sheffield in der gleichen Linkskurve wie Mäder, er fuhr allerdings in einer Gruppe vor ihm – ein Crash der beiden ist ausgeschlossen.
Tour-Direktor Senn erleichtert
Der Organisator des Rennens wird ebenso entlastet wie die Sicherheitsstaffel. «Die Unfallkurve war von den Verantwortlichen nicht als warnerfolderlich eingestuft worden, was unter Beachtung der örtlichen Gegebenheit nicht zu beanstanden ist», heisst es im Bericht.
Wir erinnern uns: Tour-Direktor Olivier Senn war in den Tagen nach Mäders Tod Zielscheibe von Beleidigungen gewesen. «Solche, die mich auf Social Media als ‹Mörder› oder ‹Sauhund› bezeichneten», wie er erklärte. Zwar habe er dies gut wegstecken können, trotzdem sei er erleichtert: «Wir waren immer davon überzeugt, dass wir keinen Fehler gemacht haben. Nun haben wir aber eine formelle Klarheit darüber. Nun können wir nach vorne schauen.»
Genau dieses Gefühl hat auch Beat Wettstein. Er ist seit 32 Jahren in verschiedenen Funktionen für die Sicherheit der Tour verantwortlich – zuletzt als Bereichsleiter Streckensicherheit. «Ich mache mir immer Vorwürfe, wenn etwas passiert», hatte er nach Mäders Tod gesagt. Und: «Der Unfall von Gino trifft mich wahnsinnig.» Nun fällt eine Last von seinen Schultern. Wettstein: «Ich finde es auch richtig, dass alles genau untersucht wurde – schliesslich ist ein Mensch gestorben.»
Er führt aus: «Natürlich könnte man spekulieren, dass eine Leitplanke in der Kurve oder über der Mauer, über die Gino am Ende gestürzt ist, vielleicht etwas gebracht hätte. Aber wenn wir so denken würden, könnte man keine Rennen mehr durchführen.»
Niemand muss sich Vorwürfe machen
Zurück zu Andreas Mäder. Er meint: «Man stelle sich vor, Ginos Mechaniker, jemand von der Organisation oder eine Person der Sicherheitsstaffel des Rennens hätte Schuld oder eine Mitschuld an seinem Unfall getragen. Wie hätte diese Person damit weitergelebt? Das wäre brutal gewesen. Auch darum bin ich froh, ist alles so herausgekommen.»
Für ihn ist klar: «Wir werden keinen Einspruch machen.»