Bei Olympia mussten sie zuschauen, bei der Mountainbike-WM sind sie dabei: die Downhill-Cracks. Ein spezielles Volk, hört man oft. Ihr Image: Sie sind locker, sie kennen keine Angst, sie lieben das Adrenalin. Ein bisschen crazy, ein bisschen easy. Aber ist das tatsächlich so?
«Nein, nicht wirklich. Wir sind ganz normal», sagt Camille Balanche. Die 31-Jährige ist amtierende Weltmeisterin und möchte in Val di Sole (It) ihren Titel verteidigen. Ehe sie dazu kommt, wird sie bange Momente erleben. «Vor den Rennen frage ich mich oft, wofür ich das mache. Es ist so stressig und für den Kopf extrem anstrengend. Am Start ist mir stets bewusst: Wenn ich nur einen Fehler mache, ist die ganze Arbeit für nichts», sagt sie.
Emilie Siegenthaler (34) kann ein Lied davon singen. Sie ist seit 14 Jahren in der Szene und liebt es wie Balanche, die Hänge runterzudonnern. «Es ist herrlich. Aber die Anspannung vor dem Start ist brutal. Schon die Tage davor habe ich Mühe, zu essen. Im Ziel ist alles gut, da lachen wir viel – das kommt jedoch vor allem daher, weil so viel Last von unseren Schultern abfällt», erzählt sie. Die Seeländerin ist die zweite Schweizer Downhill-Fahrerin in Val di Sole. Nach dieser Saison tritt sie zurück. «Auch, weil ich den Stress und das Risiko, mich zu verletzen, nicht mehr brauche», so Siegenthaler.
Sie verstecken ihre Liebe nicht
Noch ist aber nicht Schluss. Siegenthalers grösster Traum wäre es, gemeinsam mit Balanche auf dem WM-Podest zu stehen. Warum? Sie sind nicht nur Teamkolleginnen, sondern auch Partnerinnen. Ihre Liebe verstecken sie nicht. «Warum auch?», fragt Siegenthaler. Sie engagiert sich seit Jahren für die Kampagne «Stopp Homophobie im Sport». Nicht wegen traumatischer Erlebnisse, sondern weil sie helfen will. «Bei meinem Outing schrieben mir viele, dies sei cool und habe ihnen geholfen. Genau dafür mache ich es», so Siegenthaler.
Und wie war es bei Balanche? Die ehemalige Eishockeyspielerin zögerte, als sie mit Siegenthaler zusammenkam. «Letztlich hätten es aber sowieso alle gemerkt, da wir beide im Downhill aktiv sind», sagt sie. Negative Äusserungen gebe es kaum, betonen beide. Und trotzdem stört es sie, wenn Leute pfeifen, wenn sie Hand in Hand spazieren gehen. «Bei einem Mann und einer Frau wäre dies nie der Fall, oder?», fragt Siegenthaler rhetorisch.
Gold und Silber als Traum
Man merkt: Balanche und Siegenthaler teilen die gleichen Ansichten – auf und neben dem Velo. Bleibt die Frage: Hätte es Balanche lieber, wenn sie oder ihre Freundin Weltmeisterin würde? Sie zögert und meint dann: «Emilie gewinnt und ich werde Zweite – dafür würde ich sofort unterschreiben!»