Es ist ein grauenhaftes Bild: Stefan Küng (29) überquert beim EM-Zeitfahren blutüberströmt die Ziellinie. Sein Helm? Zerstört. Sein Blick? Leer. Der Thurgauer beendet das Rennen nach einem fürchterlichen Sturz auf Rang 11. Wie sich kurze Zeit später herausstellt, hat er eine Hirnerschütterung, dazu einen Bruch des Backenknochens und weitere Frakturen an der Hand erlitten. Seine Saison ist vorzeitig beendet.
Zwei Fragen stellen sich. Erstens: Warum prallte Küng ohne sichtbaren Grund in die seitlichen Absperrgitter? Und zweitens: Weshalb setzte er sich danach wieder auf sein Velo? Küng selbst spricht nicht, noch nicht. Verständlich. Auch Nationaltrainer Edi Telser, der hinter ihm im Auto sass und per Funk verbunden war, will sich nicht äussern. «Die Beteiligten brauchen Zeit, die Geschehnisse zu verarbeiten sowie zu analysieren und werden deshalb dieser Tage keine weiteren Auskünfte geben», schreibt Swiss Cycling.
So einen Unfall gibt es nur sehr selten
Blick fragt bei zwei ehemaligen Nationaltrainern nach. Bruno Diethelm, der zehn Jahre lang die Moutainbikern betreute, meint: «Möglicherweise war Stefan so am Limit, dass er nicht mehr nach vorne geschaut hat. Oder einfach unkonzentriert. Die Stelle war überhaupt nicht gefährlich, er hätte wissen müssen, dass eine Rechtskurve folgt. So etwas habe ich noch nie gesehen.»
Auch Danilo Hondo, der Küng früher betreut hat, ist verwundert. «Es könnte sein, dass Stefan nach unten geschaut hat, weil etwas am Material nicht stimmte.» Was der Deutsche zu bedenken gibt, ist, dass Küng auf Medaillenkurs war. «Man versucht bei einem solchen Rennen immer, den kürzesten Weg zu nehmen. Diesmal ging es schief.»
Dass Küng trotz seiner Verletzungen ins Ziel fuhr, überrascht Diethelm nicht. «Das Adrenalin war noch da, er hat wohl die Schmerzen gar nicht gespürt.»