Nein, das ist nicht der Abgang, den sich Reto Hollenstein gewünscht hatte.
Nach 16 Jahren und 1057 Rennen im Peloton der Profis sagt er via Instagram «tschau zäme». Ohne Tamtam, einfach so. «Ich bin fitter als manch andere im Feld. Aber mit 38 Jahren zähle ich offenbar zum alten Eisen. Alleine bin ich nicht, ganz generell setzt man heute fast nur noch auf Junge», sagt er. «Im Nachhinein hätte ich schon im Januar Schluss machen sollen. Aber der Entscheid ist auch jetzt richtig, ich bin mit mir im Reinen.»
Ein Siegfahrer war Hollenstein nicht. Dafür ein Helfer, der weder sich noch Gegner schonte. Seine Teamkollegen bei Israel-Premier Tech, seiner letzten Equipe, schätzten ihn. Und auch die sportlichen Leiter. «Man sagte mir mitten in der letzten Saison, dass ich einen weiteren Vertrag bekäme, wenn ich so weiterfahren würde. Ich wurde sogar noch besser. Aber einen Vertrag erhielt ich nicht. Das habe ich mir anders vorgestellt. Zumindest hätte ich mir beim Abschied ein Danke vom Management für meinen unermüdlichen, hundertprozentigen Einsatz bis zum Schluss gewünscht.»
Hollenstein ist offen für alles
Der Radsport hat sich gewandelt. Mit 23 arbeitete der ausgebildete Elektromonteur noch zu 50 Prozent. Dennoch wurde Hollenstein Profi – etwas, das heute fast ausgeschlossen ist. Er befürchtet, dass auch in der Schweiz eine Lücke an guten Helfern entstehen könnte – schliesslich trat auch Michael Schär (37) nach der letzten Saison zurück.
Noch ist Hollenstein nicht klar, was er künftig tun wird. Vorerst geniesst er es, endlich mehr Zeit für Ehefrau Patricia und die Kinder Livio (9) und Enja (5) zu haben – sie wohnen in der Nähe von Wien (Ö).
«Der Radsport ist mein Leben. Ich würde jedenfalls gerne in einer anderen Funktion zurückkehren. Oder jungen Fahrer auf ihrem Weg nach oben helfen.» Er sei nie ein Supertalent gewesen, so Hollenstein. «Trotzdem war ich bei zehn Grand Tours und bin fünfmal die Tour de France gefahren. Es wäre schön, wenn ich meine Erfahrung weitergeben könnte.»