Heinz Frei befindet sich gerade auf dem Beifahrersitz im Auto vom englischen Hull Richtung Dumfries im Süden Schottlands, als er mit Blick über die Rad-WM spricht. Frei ist Pionier des Schweizer Rollstuhlsports, fuhr zu 112 Marathon-Siegen und 15 Paralympics-Goldmedaillen. Im vergangenen Januar erreichte er als 65-Jähriger das Rentenalter. Trotzdem ist er an der Rad-WM nicht nur dabei – sondern mittendrin!
Frei reist zusammen mit seiner Frau nach Dumfries, um am Mittwoch als Handbiker beim Zeitfahren (15 Uhr MESZ) und am Freitag beim Strassenrennen (17.15 Uhr) anzutreten. «Das Feuer brennt immer noch», sagt er. Eigentlich dachte er schon 2004 an seinen Rücktritt, als er als Rollstuhlfahrer ohne Medaille von den Paralympics in Athen nach Hause reiste. Doch dann entdeckte er das Handbike, das ihn jetzt nach Schottland führt.
Er will jüngere Athleten nach Paris bringen
«Ich merke, ich bin noch keine Lachnummer und kann mit der erweiterten Weltspitze weiterhin mithalten», sagt Frei. Tatsächlich will er nicht einfach mitfahren, sondern für die Schweiz im Hinblick auf die Paralympics 2024 in Paris Punkte für zusätzliche Quotenplätze sichern. Dafür müssen Top-20-Plätze her.
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Frei selber wird in Paris nicht mehr dabei sein. 2021 in Tokio war sein letzter Paralympics-Auftritt. Er endete mit einer sensationellen Silber-Medaille des damals 63-Jährigen – zudem in Japan, dem Land, mit dem er speziell verbunden ist. In Oita (Jap) gewann er im Jahr 1999 in Weltrekord-Zeit zum 10. Mal hintereinander das Marathon-Rennen. Daraufhin wurde er Ehrenbürger der Stadt. Die Wertschätzung ist gross: «Sie schenkten mir daraufhin das Flugticket. Für die Hin- und Rückreise – und Business-Class.»
«Ruhe mich sicher nicht auf den Lorbeeren aus»
Frei hat nicht genug davon, die Welt zu entdecken. Er reist zusammen mit seiner Frau im Auto nach Schottland, um neben seinen beiden Rennen die Möglichkeit zu haben, die Umgebung auszukundschaften. «Wir wollen uns vom schottischen Hochland inspirieren lassen», freut er sich.
Den Wettkampf-Fokus hat er auch als Rentner nicht verloren. «Wenn man noch an der Weltspitze dabei sein will, kann man sich nicht auf Lorbeeren ausruhen.» Wenn alles zusammenpasse, liege vielleicht sogar noch ein Top-10-Platz drin.
Das vielseitige Leben von Heinz Frei
Doch Frei denkt weit über das eigene Ergebnis hinaus: «Ich kann auch ein rollender Coach für die jüngeren Athleten sein», sagt er. In der Schweiz hilft er auch gerne bei Sportgerät-Anpassungen für die Athleten mit. Dazu ist er Referent über eine positive Einstellung im Leben.
Im Jahr 1978 erlebte Frei als 20-Jähriger bei einem Berglauf seinen verhängnisvollen Sturz, der zu seiner Querschnittslähmung führte. 45 Jahre nach seinem Schicksalsschlag brennt sein inneres Feuer für die WM – und weit darüber hinaus.