Die «Hölle des Nordens» hat ihrem Ruf alle Ehren gemacht. Der Radklassiker Paris–Roubaix wurde zur dramatischen Schlammschlacht. Stürze, Defekte und vom Dreck gezeichnete Athleten und Athletinnen prägten das Bild der 118. Austragung des Traditionsrennen.
Seit der ersten Durchführung 1896 sind die Strassen Nordfrankreichs fest in Männerhand. Am Samstag erlebten die Frauen ihre Feuertaufe auf den Kopfsteinpflastern. Ein weiterer Schritt in Richtung Gleichberechtigung im Radrennsport.
Die Frauen erhalten 20-mal weniger
Die Entlöhnung nach vollbrachter Schwerstarbeit sorgt jedoch für Diskussionen. Während der Sieger im Männerrennen, der Italiener Sonny Colbrelli (31), ein saftiges Preisgeld von rund 32'000 Franken einstrich, musste das Pendant bei den Frauen mit einem Bruchteil seiner Geldscheine vorliebnehmen.
Der Britin Lizzie Deignan (32) wurden 1650 Franken überwiesen und damit knapp 20-mal weniger. Insgesamt verteilte der Veranstalter unter den Top Ten der Männer 75'000 Franken. Die besten Zehn der Frauen kassierten rund 7500 Franken. Darüber schockiert sind die wenigsten im Lager der Radrennfahrerinnen. «Ich habe es mitbekommen, aber wir sind es uns leider gewöhnt», erzählt Marlen Reusser (30), die ebenfalls am Rennen teilgenommen hat, gegenüber Blick.
Reusser ist zwiegespalten
Die Silbermedaillengewinnerin des Olympia-Zeitfahrens will aber nicht zum Rundumschlag ausholen. «Jetzt, wo es endlich ein Rennen für Frauen in Paris–Roubaix gibt, habe ich persönlich gewisse Hemmungen zu monieren, dass das Preisgeld zu unterschiedlich sei.»
Ob dies die richtige Reaktion darauf ist, darüber zerbricht sich die Frau aus Hindelbank BE den Kopf. «Auf der einen Seite sollte man zufrieden sein mit dem, was man hat, andererseits ist es ein Affront, dass es einen derart grossen Unterschied gibt.»
Sie fügt sogleich den Vergleich mit dem männlichen Geschlecht an: «Der Männersport ist leistungsdichter und geniesst mehr Aufmerksamkeit. Ist deshalb der Unterschied beim Preisgeld gerechtfertigt? Das ist eine unglaublich schwierige Diskussion.» Ausnahmen sind Titelkämpfe wie die WM von vergangener Woche. Dort erhalten beide Geschlechter gleich viel Preisgeld.