Peter Sagan (34) galt in der Radszene als der letzte Rock'n'Roller. Als Showman, Exzentriker und Freigeist mit mitunter rüpelhaften Zügen. Und als Mann der direkten Ansprache. Das wird auch jetzt wieder klar, wenige Monate nach seinem Rücktritt als Strassenrennfahrer, als er im Gespräch mit Blick eine deutliche Antwort parat hat. Auf die Frage, ob er schon etwas aus dem Radsport vermisse, meint er achselzuckend: «Nein, gar nichts!»
Das Mountainbiken, auf das der dreifache Strassen-Weltmeister nun ganz umgesattelt hat, habe ihm ohnehin schon immer besser gefallen: «Es geht zwar auch hier darum, im Training zu leiden und Opfer zu bringen – doch am Ende ist der Mountainbikesport das, was ich von klein auf immer machen wollte.»
Sagan sitzt auf einem Sofa in einem Büro am Zürcher Löwenplatz. Er ist hier, weil er an der Trading-Championship seines Sponsors FlowBank teilnimmt – mit einem virtuellen Startkapital von 100'000 Franken. Sagan macht es sich nicht gemütlich, er sitzt während des gesamten Gesprächs nach vorne gebeugt, als wollte er seinen Worten damit Nachdruck verleihen.
«Chancen stehen wohl gegen null»
Endlich könne er nun seiner Mountainbike-Leidenschaft so richtig nachgehen, erklärt der Slowake. Und er spricht davon, «ohne Druck» ans Werk gehen zu können. Wobei das in seinem Fall natürlich nicht ganz stimmen kann – denn der Superstar mit 1,9 Millionen Instagram-Followern hat sich schon im letzten Jahr die Olympischen Spiele 2024 zum Ziel gesetzt. Doch bei der Umsetzung hapert es bislang. Es fehlen die slowakischen Punkte, die ihm einen Start in Paris ermöglichen würden.
Auch hier redet er nichts schön: «Es wird ganz schwierig. Die Chancen stehen wohl gegen null – aber wir werden sehen.» Gut möglich, dass ihn die Schweizer Mountainbike-Fans im Juni in Crans-Montana zu Gesicht bekommen, die Frist für die Olympia-Quali ist dann aber bereits verstrichen. Sagan muss bis Ende Mai ordentlich Gas geben, wenn er «das Unmögliche» schaffen will.
Allerdings hat ihn zuletzt – nach dem Gespräch mit Blick – auch ein operativer Eingriff am Herzen zurückgeworfen. Nachdem bei ihm vor einer Woche eine ungewöhnlich hohe Schlagfrequenz festgestellt wurde, begab sich Sagan sofort in ärztliche Behandlung. Dazu schreibt er nach der erfolgreichen OP auf Instagram: «Alles ist unter Kontrolle. Ich werde bald wieder auf meinem Bike sein.»
Lange ausfallen dürfte Sagan nicht, gleichwohl wird die Zeit knapp. Sagan gibt hierbei aber auch zu verstehen, dass es kein Weltuntergang wäre, nicht in Paris dabei zu sein. Sein Fokus liegt auf dem Genuss. Er schätzte die drei Trainingswochen in Südafrika mit Nino Schurter (37), den er als «Legende» und «Nice Guy» bezeichnet. Ausserdem ist ihm die Zeit mit seinem Sohn Marlon (6) wichtig.
Dieser interessiert sich bislang nicht für den Radsport, was der Papa ganz okay findet. «Ich bin froh, fährt er nicht», meint Sagan lachend. Er weiss nur zu gut, wie viel Risiko im Spiel ist. Gleichwohl fügt er an: «Am Ende ist es sein Entscheid. Es ist schön, dass er Sport treibt. Momentan versucht er sich im Fussball und im Tennis. Aber ich werde ihn nie zu irgendetwas drängen.»
Wie gefährlich gerade Strassenrennen sein können, erfuhr die Sportwelt einmal mehr im letzten Juni, als der Schweizer Gino Mäder (†26) nach einem Sturz an der Tour de Suisse seinen Verletzungen erlag. Sagan sagt: «Ich war nach seinem Tod sehr traurig. Er gehörte der jüngeren Generation an, ich hatte nicht viele Berührungspunkte mit ihm und doch hat es mich sehr getroffen. Das war eine grosse Tragödie für den Radsport.»
«Da bin ich old school unterwegs»
Seinen Entscheid, Ende 2023 die World-Tour-Strassenrennen hinter sich zu lassen, habe dies aber nicht beeinflusst, das möchte Sagan betonen: «Ich hatte schon im Januar davor eine klare Vorstellung, wie es bei mir weitergehen soll.» Und zwar vorerst mit dem Mountainbiken. Später würden sich wohl noch andere Optionen eröffnen, meint er. Dass er einst wie Fabian Cancellara (42, Tudor Pro Cycling) ein Team übernimmt, sei «nicht unmöglich».
Daneben will er sich dem Trading-Wettbewerb zuliebe auch in die Finanzwelt einlesen. «Auch hier gehts um Risiko, wobei ich privat mit echtem Geld eher der Sicherheitstyp wäre», sagt Sagan, der im Alltag nach wie vor Bargeld bevorzugt: «Da bin ich old school unterwegs.» Auch das mag nicht überraschen beim Mann, der seine ganze Karriere lang seinen eigenen Weg ging.