Immer mal wieder folgt auf einen positiven Dopingtest eine abstruse Ausrede der Betroffenen. Dass diese unter Umständen gar nicht so abwegig sind, zeigt eine Recherche der ARD-Dopingredaktion. In der Dokumentation «Geheimsache Doping – Schuldig: Wie Sportler ungewollt zu Dopern werden können» (ARD zeigt die Sendung am Samstag um 18.00 Uhr) wird aufgezeigt, dass Sportlerinnen und Sportler jederzeit Opfer von Doping-«Anschlägen» werden können.
Leichte Berührung reicht
Im Rahmen eines von der Ethikkommission der Universität Köln genehmigten Experiments wurden zwölf männlichen Probanden geringe Mengen verschiedener Anabolika mittels Trägersubstanz über die Haut durch minimale Berührungen an Hand, Nacken und Arm verabreicht. Ergebnis der Erstauswertungen durch das renommierte Kölner Kontrolllabor: Massiver Dopingverdacht bei allen! Die verbotenen Substanzen, die in Minimaldosen verabreicht wurden, konnten teilweise schon nach einer Stunde und bis zu 15 Tage später nachgewiesen werden.
Ohne es zu wissen, können Sportlerinnen und Sportler also von aussen zu Dopingsünder gemacht werden. Diese neue Erkenntnis löst bei den Sportlerinnen und Sportlern blankes Entsetzen und Panik aus und bringt gleichzeitig einen Eckpfeiler des weltweiten Anti-Doping-Systems ins Wanken: Die Umkehr der Beweislast. Wird im Strafrecht der Angeklagte erst als schuldig angesehen, wenn zweifelsfrei Vorsatz und Schuld nachgewiesen worden sind, reicht dafür im Sportrecht ein positiver Dopingtest. Betroffene müssen dann belegen, dass sie nicht willentlich eine entsprechende Substanz zu sich genommen haben. Gelingt das nicht, werden sie gesperrt. Bloss: Wie soll man beweisen, dass man durch eine simple Berührung eines anderen positiv wurde?
Olympia und Doping
Was bedeutet das für Olympia in Tokio? Auch wenn in Corona-Zeiten Abstand gehalten werden muss und die Athletinnen und Athleten strengen Regeln unterliegen, könnte es auch dort zu solchen Sabotageakten kommen. Plötzlich scheint es spielend leicht, sportliche Konkurrenten so ausser Gefecht zu setzen. Spätestens dann müsste ein Umdenken erfolgen. Denn in diesem Fall liegt laut Verfassungsrechtlerin Angelika Nussberger mit einer Sanktion eine Menschenrechtsverletzung vor.
Allerdings behauptet die International Testing Agency (ITA), dass Athletinnen und Athleten vor einem Grossanlass noch nie so intensiv durchleuchtet wurden. Aber dass dies nichts zu bedeuten hat, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Vor den Sommerspielen in London 2012 war von den saubersten Spielen aller Zeiten die Rede, letztlich mussten unzählige Medaillen im Nachhinein umverteilt werden. Und bei den Winterspielen in Sotschi 2014 kam später heraus, dass die Gastgeber viele Proben im Labor sabotiert haben. (afp/red)