Doping-Spekulationen in Tokio
Die tote «FloJo» geistert durchs Olympia-Stadion

Sind es einfach die Bahn, die Schuhe und exzellente Trainingsmethoden oder steckt doch mehr hinter den Fabel-Zeiten von Tokio? Im Fall von US-Wunderkind Sydney McLaughlin taucht wieder mal ein umstrittener Coach auf.
Publiziert: 04.08.2021 um 21:01 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2021 um 05:47 Uhr
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Ein Wahnsinns-Lauf: Sydney McLaughlin (r.) siegt vor Delilah Muhammad über 400 m Hürden.
Foto: AFP
Emanuel Gisi aus Tokio

Die Weltstars des Sprints brennen auf der Olympia-Bahn von Tokio ein regelrechtes Feuerwerk ab. Jüngstes Beispiel: Sydney McLaughlin (21), Olympiasiegerin über 400 m Hürden, die in der Nacht auf Mittwoch ihren eigenen Weltrekord um beinahe eine halbe Sekunde pulverisiert und ihre Weltklasse-Rivalin Dalilah Muhammad auf den letzten Metern stehen lässt.

Die Amerikanerin sorgt für den nächsten Fabel-Lauf, wie vor ihr die Jamaikanerin Elaine Thompson-Herah, der Norweger Karsten Warholm, die in neue Sphären vorstiessen, oder der Italiener Marcell Jacobs, der innert drei Monaten vom 10-Sekunden-Sprinter über 100 m zum Olympiasieger wurde.

Die Frage drängt sich darum auf: Wie machen die das? Erklärungsansätze gibt es ein paar, von den neuen Wunderschuhen mit Karboneinsätzen über die neue, besonders stark federnde Wunderbahn aus Italien.

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Ein Trainer mit zweifelhaftem Ruf

Zumindest im Fall von McLaughlin gibt es noch einen weiteren Aspekt, der mancherorts für Stirnrunzeln sorgt. Seit rund einem Jahr wird das Hürden-Wunderkind von Bobby Kersee trainiert, dem früheren Coach von Florence Griffith-Joyner und seiner Ehefrau Jackie Joyner-Kersee.

Kersee ist ein Mann, der immer wieder im Dunstkreis von Doping-Verdächtigungen auftauchte, weil eine Reihe seiner Athletinnen immense Leistungssprünge zu verbuchen hatten. Im Einmaleins der Doping-Jagd ein Hinweis darauf, dass möglicherweise etwas nicht mit rechten Dingen zugehen könnte.

Doping-Gerüchte um «FloJo»

Und so gibt es auch um die bereits mit 38 Jahren verstorbene «FloJo» Griffith-Joyner massenhaft Gerüchte. Ihre Weltrekorde über 100 m (10,49 s) und 200 m (21,34 s) aus dem Jahr 1988, das Produkt eines massiven Leistungssprungs im Vergleich zum Vorjahr, gelten als unschlagbar und werden von vielen Experten als nicht sauber entstanden deklariert, obwohl sie nie positiv getestet wurde. Dass Thompson-Herah über 200 m «FloJos» Olympischen Rekord von 21,62 um eine Hundertstelsekunde schlug – auch das lässt manch einen aufhorchen.

Zurück zu Kersee. Die kanadische Ex-Sprinterin Angela Bailey beschuldigte ihren Ex-Coach schon 1989, mit Methoden zu arbeiten, die nur gedopte Athletinnen überhaupt vertragen könnten. Der frühere Balco-Dopinglabor-Chef Victor Conte erklärte vor mehreren Jahren in TV-Interviews, dass 1988 bei den Spielen in Seoul eine Reihe von positiven US-Dopingfällen vertuscht worden seien, unter anderem auch Proben von «FloJo» und Jackie Joyner-Kersee.

Auch Felix trainiert bei Kersee

Trotzdem findet Kersee immer wieder Schützlinge, die er betreuen kann, die sechsfache Olympiasiegerin Allyson Felix gehört auch dazu. Und nun also McLaughlin.

Auch sie legte noch einmal mächtig an Speed zu. Den Leistungssprung erklärt sie mit den Methoden des Trainers: Er habe sie mehr Technik, mehr auf die Hürden-Kurzdistanz und mit dem eigentlich «falschen» Schwungbein trainieren lassen und so noch einmal für einen Boost gesorgt. «Es geht darum, seinem Training und seinem Coach zu vertrauen», sagt McLaughlin nach ihrem Wunder-Lauf. «Das bringt dich ans Ziel.» Funktioniert hat es offensichtlich. Und festzuhalten ist auch: Handfest nachgewiesen wurde Kersee nie etwas. Aber das Raunen wird deswegen kaum verstummen.

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