Gänsehaut bei über 40 Grad? Anouk Vergé-Dépré und Joana Heidrich machen es auch bei Mörderhitze möglich. Im Glutofen wird der Bronze-Ball zur heissen Kartoffel. Die Schweizerinnen kochen die Knolle weiter und hauen den jungen Lettinnen das Ding wie Rösti um die Ohren. Ein Smash von Heidrich besiegelt das Schicksal von Tina Graudina (23) und Anastasija Kravcenoka (24), die mit leeren Händen nach Hause müssen.
Am Rand der Erschöpfung können die Schweizerinnen ihr Glück kaum fassen. «Wir hatten fast keine Energie mehr im Körper, aber wir haben nochmal die letzte Kraft reingesteckt und gekämpft», sagt Heidrich, die sich vor fünf Jahren mit Vergé-Dépré vereinte und das Projekt Tokio lancierte. «Wir haben in dieser Zeit so unglaublich viel zusammen erlebt – viele schöne Momente, aber auch sehr viele harte Phasen.»
Regelrecht durch die Hölle geht Heidrich, als vor drei Jahren unerträgliche Schmerzen sie im Rücken plagen. Erst eine Operation bringt die Erlösung, der Eingriff reisst das Paar aber während der Rekonvaleszenz für ein paar Wochen auseinander. Das erforderte viel Geduld, auch von Vergé-Dépré. «Das war nicht immer einfach zu verkraften. Wir hatten so viele Hochs und Tiefs – es war sehr emotional, aber die schwere Zeit hat uns noch mehr vereint.»
Eine grosse Challenge für den Kopf
Heidrich musste nach der OP ihre Muskulatur fast komplett wieder aufbauen. Sie lernt ihren Körper neu kennen und kämpft sich zurück. Kaum hat sie mit Vergé-Dépré den Rhythmus wieder gefunden, wirbelt die Corona-Pandemie alle Pläne durcheinander. Statt aber auseinanderzufallen, finden die beiden noch mehr zueinander. Sie holen 2020 zum ersten Mal EM-Gold und reisen mit einem grossen Titel in der Tasche nach Tokio.
Es sind all diese Erinnerungen, welch die Erleichterung nach dem Bronze-Gewinn so gross machen. Heidrich ist nach dem Matchball gar so überwältigt, dass sie voll in die Kamera kreischt und die Wut über die Kritik ihrer Jubelschreie rauslässt. «Die letzten Tage waren für mich als feinfühliger Mensch eine Challenge für den Kopf», gesteht Heidrich, «auf dem Platz kann ich austeilen, aber auch einstecken. Neben dem Platz bin ich das Sensibelchen.»
Selbst die Stimmbänder sind Weltklasse
Vor allem der Triumph im Viertelfinal über Brasilien brachte aus dem Land des Samba viele Misstöne. «Dass wir auf dem Court so emotional sind, hat nichts mit fehlendem Respekt zu tun», sagt Heidrich und erklärt den Zweck der Schreie nach jedem Punkt: «Gerade wenn es keine Zuschauer hat, müssen wir uns selber pushen.»
Bis zum Schluss bleiben Vergé-Dépré und Heidrich ihrem Motto treu. Der verdiente Lohn: die erste Schweizer Olympia-Medaille seit 2004, als Patrick Heuscher und Stefan Kobel in Athen Bronze gewannen. Nach dem Erfolg können sie über die Empörung der Gegnerinnen nur lachen und scherzen: «Unsere Stimmbänder sind Weltklasse!»
Die 32. Olympischen Sommerspiele finden vom 23. Juli bis 8. August 2021 in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Alle Infos zur Eröffnung, Übertragung, Wettkampfterminen, Disziplinen, Neuerungen, Austragungsstätten und Maskottchen erfahren Sie in der grossen Übersicht.
Die 32. Olympischen Sommerspiele finden vom 23. Juli bis 8. August 2021 in der japanischen Hauptstadt Tokio statt. Alle Infos zur Eröffnung, Übertragung, Wettkampfterminen, Disziplinen, Neuerungen, Austragungsstätten und Maskottchen erfahren Sie in der grossen Übersicht.