Er ist in der Schweiz aufgewachsen, spielte im Nachwuchs beim FC Adliswil, dem FCZ und wechselte dann zu den Red Stars. Jetzt steht er bei Olympia für die irakische Fussballmannschaft im Tor. Kumel Al Rekabe (19) hat eine inspirierende Lebensgeschichte hinter sich, die geprägt war von Höhen und Tiefen. Er ist ein Mann, der niemals aufgibt und immer wieder Kraft zu schöpfen scheint.
«Ich war immer schon der grösste im Team, also bin ich oft ins Tor gegangen. Ausserdem war mein älterer Bruder Stürmer und wollte gerne mit einem Torwart trainieren», erklärt Al Rekabe mit einem Schmunzeln, auf die Frage hin, wie denn alles begann. Er stellt schon als kleiner Junge fest, dass man das Torwartsein im Blut haben muss. Das hatte er zwar, doch Talent allein führt noch nicht zum Erfolg. «Du weisst, wie es ist: Die Jungs sagen alle, sie wollen Profi werden und gehen dann nach Hause und essen eine ganze Packung Chips. Ich war genauso.»
Ein Junge wie jeder andere auch
Bis zu dem entscheidenden Moment hin, als ihn ein Teamkollege fragte, ob er es denn ernst meine mit dem Fussball. «Das war der Moment, in dem es Klick gemacht hat. Ab da wusste ich, ich muss jetzt alles geben.» Al Rekabe erkannte sein Talent und verstand in diesem entscheidenden Augenblick, dass er Grosses erreichen könnte, wenn er diesen Sport ernst nimmt.
Von da an war Al Rekabe auch auf dem Platz, wenn es kein offizielles Training war. Er trainierte mit seinem Vater, mit seinen Freunden und wenn es sein musste auch allein. «Ich steckte alles in diesen Sport.» Seine Mühen blieben nicht unbelohnt. Erst wurde er vom FCZ in ein Probetraining eingeladen, dann als fester Bestandteil ins U17-Kader aufgenommen. Trotzdem: «Ich habe in dieser Saison nur etwa zwei bis drei Spiele gespielt. Ich musste die Basics lernen, die andere Zürcher Nachwuchsathleten schon in der U15 lernen.»
Der Glaube liess ihn Hürden überwinden
Die nächsten zwei Jahre waren geprägt von Verletzungen. Auf einen Handgelenksbruch folgte ein gebrochener Finger und das bedeutete das Aus für Al Rekabe beim FCZ. Doch wann immer das Leben dem jungen Athleten Steine in den Weg legte, fing Gott ihn auf. «Allah hat einen Plan für mich.» Dieses Motto hält den jungen Torwart über Wasser. Immer und immer wieder.
Und endlich: Nach einem erfolglosen Jahr bei den Red Stars erscheint wie aus dem Nichts ein Nationalmannschaftsaufgebot für die U23 im Irak. Die Zürcher Kantonalbank, wo der Fussballer seine Lehre machte, unterstützte ihn auf diesem Weg und gab ihm frei. So stand Al Rekabe das erste Mal mit der irakischen Nationalmannschaft vor 35'000 Zuschauern. «Das musst du dir mal vorstellen: Ich kam von Red Stars, wo wir vielleicht 100 Zuschauer hatten. Plötzlich stehe ich vor solchen Menschenmassen. Das war schon ein eindrückliches Gefühl.»
Doch was folgt auf einen solchen Erfolg? Für Al Rekabe wartete zu Hause in der Schweiz das normale Leben. «Ich konnte nicht mehr im Büro sein oder irgendjemandem erklären, wie er sein Bankkonto zu führen hat. Ich hatte die Luft da oben gerochen. Ich wollte nicht mehr zurück.»
Vom FC Adliswil nach Olympia
Also wechselte Al Rekabe zu einem irakischen Klub. Naft Al Basra. Es folgten Auseinandersetzungen mit dem Goalietrainer in der Nati und daraus hervorgehende Meinungsverschiedenheiten zwischen Al Rekabe und seinem Klub. Er spielte nur noch vereinzelt, zeitweise gar nicht mehr.
Doch nach einem solchen Tief kann es nur noch bergauf gehen. Der nun 19-Jährige erhielt überraschenderweise im Juni ein Aufgebot für die erste Mannschaft von Irak. Und jetzt ist er mit der U23 in Paris an den Olympischen Spielen. Zwar ist für den jungen Athleten das Turnier vorbei – denn seine Mannschaft verlor am Dienstag gegen Marokko und schied somit aus – doch stolz sein darf der junge Zürcher trotzdem.
Wenn der 19-Jährige in die Zukunft blickt, macht er sich nicht allzu viele Sorgen. Noch ist er auf Klubsuche für die nächste Saison, doch er ist zuversichtlich: «Ich vertraue auf Allah. Mal schauen, wie es kommt.»